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  • Förderunterricht für Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Herkunftssprachen

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Kontakt

Raum: C3-231

Telefon: 0521/106-3633

E-Mail: projekt.foerderunterricht@uni-bielefeld.de

Pädagogisches Konzept

Auf der Basis einer individuellen Analyse des Förderbedarfs werden kleine Gruppen (mit 5 bis maximal 10 Schülern*innen) aus den Sekundarstufen Bielefelder Schulen zusammengestellt, die dann von Studierenden in der Lehrerausbildung und des Faches Deutsch als Fremdsprache in der Universität unterrichtet werden. Gefördert wird die Zweit- bzw. Fremdsprache Deutsch in engem Bezug auf die Unterrichtsinhalte der Schulfächer Deutsch, Englisch und Mathematik der Sekundarstufen I und II aller Schulformen und ihren fachsprachlichen Anforderungen. Der Unterricht ist freiwillig und für die Schüerlinnen und Schüler kostenlos.

Zum gesellschaftlichen Hintergrund:

Wie Bildungsberichte ausweisen, besitzt Zurzeit mehr als jedes zweite Grundschulkind in Bielefeld einen Zuwanderungsgeschichte (60,0 %). Für fast jedes dritte Kind (30%) in den Grundschulen ist die deutsche Sprache nicht die Erst- bzw. Familiensprache. Die daraus resultierenden Schüler*innenwellen mit hohen Migrationsquoten werden in den nächsten Jahren in der Sekundarstufe I ankommen. Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte verteilen sich laut Bildungsberichten wie folgt auf die verschiedenen Schulformen: 28,6 % besuchen Gymnasien; 50,6% Realschulen; 75,8% besuchen Hauptschulen. 60% der Schülerinnen und Schüler, die Hauptschulen besuchen, sprechen Deutsch nicht als Familien- oder Erstsprache; am Gymnasium liegt dieser Anteil bei 8,3% - ein deutlicher Hinweis, dass die Sprache und der soziale Hintergrund die entscheidenden Barrieren auf dem Weg zu hochwertigen Bildungsabschlüssen sind. Für Seiteneinsteiger*innen - worunter auch die immer häufiger auftretenden Fälle der unbegleitet eingereisten Flüchtlingskinder und -jugendliche fallen - gilt: Kinder und Jugendliche, auch wenn sie einen bestimmten Sprachstand erreicht haben, der die Mitarbeit in einer Regelklasse ermöglicht, brauchen noch additive individuelle Sprachförderung in der Bildungssprache, damit der Anschluss an das Niveau der Regelklasse gehalten werden kann und die Bildungspotentiale sich weiter entwickeln können (Kommunaler Lernreport Bielefeld 2014: 64).

Damit ist der Kontext umrissen, in welchem sich FörBi mit seinem Angebot für Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Herkunftssprachen der Sekundarstufen, einschließlich der Seiteneinsteiger*innen, platziert:

Der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungsgeschichte steigt
Die Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die verschiedenen Schulformen zeigt nach wie vor eine Unterrepräsentation auf dem Gymnasium und eine Überrepräsentation auf der Hauptschule; die Sprachbarriere wird als ein wichtiger Grund vermutet
Seiteneinsteiger*innen brauchen additive individuelle Sprachförderung, um in einer Regelklasse bestehen zu können.

FörBi setzt an allen genannten Stellen und nimmt eine entlastende und fördernde Funktion ein, indem ein außerschulisches Förderprogramm hilft, zusätzliche Kapazitäten zu den schulischen Angeboten zu schaffen und eine additive, individualisierte Sprachförderung Seiteneinsteigern*innen bei der schnellen Integration in den Regelunterricht hilft. Wir verstehen unser Projekt als eine außerschulische, schülerorientierte Maßnahme, die an vielen Stellen gleichzeitig wirkt:

Die Wirkung für die Institution Schule: Schulen bzw. deren Lehrkräfte erfahren eine Entlastung in den Anforderungen individueller Förderung, die von schulministerieller Seite an sie gestellt werden. Eingedenk großer Klassengrößen und der zentralen Steuerung von Abschlüssen und dem Zentralabitur erscheint die Forderung nach einer individuellen Förderung wie die Quadratur des Kreises. Hinzu kommen die zunehmende Heterogenität in den Klassen und die wachsende Zahl an Seiteneinsteigern, wofür bislang nur sehr wenige didaktische Ansätze vorliegen. FörBi nimmt Schülerinnen und Schüler aus dieser Zielgruppe auf.
Beitrag zur Verminderung der strukturellen Benachteiligung: Durch intensive und individualisierte Unterstützung erhöht FörBi die Durchlässigkeit in höher qualifizierende Schullaufbahnen und wirkt der Durchlässigkeit nach unten entgegen. Damit ist die sogenannte „Abschulung“ gemeint, also die Praxis, Schülerinnen und Schüler mit Leistungsschwächen auf Schulen mit geringerem Leistungsanspruch zu verweisen – mit allen psychosozialen Folgen, die dies für die Betroffenen nach sich zieht (Ausschluss aus der gewohnten Schulgemeinschaft, Erfahrungen des Versagens, der Inkompetenz und des Ausschlusses).
Die Wirkung auf vorhandene soziale Bildungsbenachteiligungen: Der Förderunterricht ist die Schülerinnen und Schüler kostenfrei, so dass ihre Leistungsbereitschaft nicht durch mangelnde finanzielle Ressourcen für außerschulische Förderung gebremst wird.
Die Wirkung auf die Lernmotivation: Die Uni als Lernort wirkt als Heranführung an das akademische Bildungssystem bei Schülerinnen und Schülern aus Familien mit wenig Bildungsangeboten, die sonst keinen Zugang zur Universität bekommen, besonders motivierend.
Einsatz in individuellen Lebenslagen: Die FörBi-Angebote passen sich an vielen Stellen an individuelle Lebenslagen an, so dass der Normierungsdruck nachlässt. Das heißt, das Lernangebot wird so aufbereitet, dass sich jede Schülerin und jeder Schüler entsprechend ihren aktuellen Möglichkeiten kompetent am Lernprozess beteiligen und aktiv werden können. Bei Bedarf vermitteln die FörBi-Mitarbeiter*innen zwischen Eltern, schulischen Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern, um Lernrückstände, Stresssituationen, besondere Belastungen psychosozialer Art – unter anderem auch durch den Migrationsprozess bedingt - etc. mit einem geeigneten Umgang mit den Betroffenen zu kompensieren.
Schülerorientierung: FörBi setzt auf die Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler, der Druck durch Eltern, Schulen usw. ist zwar stellenweise vorhanden, wird aber weitestgehend abgefedert, indem das Prinzip der Freiwilligkeit in den Mittelpunkt gestellt wird. Die Ziele der Schülerinnen und Schüler werden abgefragt und es wird ein individuell zugeschnittenes Angebot gemacht. Dabei wird auf die intrinsische Motivation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer abgezielt und darauf geachtet, dass der Benefit von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selber wahrgenommen wird. Die Eigenverantwortung als wichtige Schlüsselqualifikation im Sinne von Eigenmanagement drückt sich unter anderem darin aus, dass eine regelmäßige Teilnahme am Förderunterricht sowie ein pünktliches Erscheinen verlangt werden. Sich nicht an diese schriftlich vereinbarte Regelung zu halten stellt den einzigen Grund dar, vom Förderunterricht ausgeschlossen zu werden. Dies gilt aber auch nur temporär; dauerhaft wird kein Schüler ausgeschlossen, bei erneutem Interesse wird jedem Schüler – so es die vorhandene Kapazität zulässt – wieder ein Förderplatz vermittelt.
Individuelle Förderung von Basiskompetenzen: FörBi ist keine Nachhilfe und keine Hausaufgabenbetreuung, sondern leistet Hilfe zur Selbsthilfe, indem Basiskompetenzen im Rahmen von gezielten Förderangeboten aufgebaut werden
Multiplikatorische Wirkung: Die FörBi-Lehrkräfte sind Lehramtsstudierende, welche bei FörBi Qualifikationen für den sprachsensiblen Unterricht / für Deutsch als Zweitsprache in der Schule bekommen. Sie zeigen daher im Unterricht ein besonderes Engagement, da sie den Gewinn für ihre eigene Ausbildung erkennen können. Für die Schulen ergeben sich daraus eine multiplikatorische Wirkung und ein Nachhaltigkeitseffekt, wenn die so geschulten und sensibilisierten Lehrkräfte ihre Erfahrungen in den Schuldienst integrieren.

FörBi richtet sich dabei ausschließlich an Schülerinnen und Schülern aus sozioökonomisch prekären Verhältnissen. Ihre Eltern arbeiten als Arbeitsmigrant*innen im Niedriglohnbereich oder müssen Grundsicherung beziehen, oder die Jugendlichen sind ohne Familie als unbegleitete Minderjährige eingereist. Deswegen ist es von großer Bedeutung, dass der Unterricht bei FörBi voraussetzungslos ist, denn er ist dank der zahlreichen Unterstützer aus Wirtschaft und Politik für die Kinder und Jugendlichen kostenfrei und ohne bürokratische Hürden, damit Teilhabe möglich wird.

Pädagogische Betreuung ist gerade für Kinder und Jugendliche bedeutungsvoll, die vielerlei Erfahrung mit Ausgrenzung, Armut, prekären Lebensverhältnissen, frustrierenden schulischen Bedingungen und mit Flucht und Kriegstraumen gemacht haben. Diese Betreuung muss durch die Förderlehrerinnen und -lehrer gewährleistet sein, denn sie sind in einem intensiven und individuellen Kontakt mit den Schülerinnen und Schülern. Damit bietet sich bei FörBi die Chance, im interkulturellen Kontext verschiedene Interaktionen und Gesprächsführungen in der Beziehung zu den Förderschülerinnen und -schülern und auch in den Beziehungen der FörBi-Schüler untereinander zu erproben. Durch das FörBi-Büro wird dabei Supervision gewährleistet. Es besteht jederzeit die Möglichkeit, in vertraulichen Gesprächen Situationen zu schildern und sich über mögliche Haltungen dazu zu beraten.

Für den Aufbau von tragfähigen Beziehungen zwischen Förderlehrer*innen und Förderschüler*innen sind Haltungen von Vorteil, wie sie in personenzentrierten Gesprächstherapien zu finden sind:

Akzeptanz: eine positive, wertschätzende Einstellung gegenüber dem, was und wie der Förderschüler, die Förderschülerin in dem Moment ist. Vielen Äußerungen, die die SchülerInnen äußern, können sowohl die Förderlehrerinnen und -lehrer als auch die Gruppenmitglieder nicht zustimmen. Sie sollten aber zunächst einmal ohne Wertung zur Kenntnis genommen werden. Erfahrungsgemäß sind automatisierte (ablehnende) Reaktionen kontraproduktiv und führen zu einer weiteren Isolation desjenigen, der die irritierende Haltung vertritt. Gerade die Jugendlichen mit vielfältigen Ausgrenzungserfahrungen müssen bei FörBi erleben, dass sie mitsamt ihren Einstellungen und Gefühlen respektiert werden. Eigene Werte und Meinungen sollen, dürfen und können nicht aufgezwungen werden
Kongruenz: Das oben gesagte bedeutet nicht, dass Förderlehrerinnen und -lehrer und die anderen Gruppenmitglieder ihre eigenen Einstellungen und Werte nicht äußern sollten. Im Gegenteil ist es im Sinne von Kongruenz nötig, dass sie sich selber nicht verleugnen, sondern zu erkennen geben und somit Lernerfahrungen möglich zu machen und Denkanstöße zu geben. Auch die Förderlehrerinnen und -lehrer und die Gruppenmitglieder sollten also offen und unverstellt über ihre Werte, Einstellungen und Erfahrungen sprechen. Wichtig ist, dabei auf die Wortwahl zu achten und alles zu vermeiden, was Ablehnung und Herabsetzung signalisieren könnte
Empathie: Zum nichtwertenden Eingehen auf die Person gehören das einfühlende Verstehen und der Perspektivwechsel. Es sollte versucht werden, den betreffenden Jugendlichen in seiner Welt zu verstehen und zu akzeptieren, so wie er sie empfindet.


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