Die Arbeitsgruppe Geschichte und Wissenschaftstheorie der Medizin erforscht die Bedingungen und Auswirkungen von sich verändernden Grenzen medizinischen Wissens. Unsere historischen und philosophischen Projekte untersuchen, wie der Gegenstandsbereich der modernen Medizin aus- und umgeformt wurde und welche Rolle dabei Vorstellungen von Wissenschaftlichkeit gespielt haben. Wir nehmen dabei unterschiedliche Formen und Verständnisse von Wissen und Ungewissheit in den Blick sowie sich verändernde Akteurskonstellationen, beispielsweise im Hinblick auf die Bedeutung von Regulationsbehörden oder auf die wie auch die Möglichkeit, unterschiedlicher Akteursgruppen - von Betroffenen bis zu Regulationsbehörden - in den Blick. Es ist uns in Forschung und Lehre ein Anliegen, scheinbare Selbstverständlichkeiten heutiger Medizin hinterfragbar zu machen und über Disziplin- und Professionsgrenzen hinweg konstruktive Dialoge über die Genese und die Zukunft von Wissen in der Medizin zu führen.
An der Universität Bielefeld bildet die AG Geschichte und Wissenschaftstheorie der Medizin eine Brücke zwischen der Fakultät für Geschichte, Philosophie und Theologie und der Medizinischen Fakultät OWL. Vor diesem Hintergrund lehren die Mitarbeitenden der AG sowohl im medizinischen Kerncurriculum als auch in der Interdisziplinären Profilierung Medical Humanities.
Im medizinischen Kerncurriculum ist die AG an den Modulen „Einführung in das Medizinstudium“, „Wissenschaftliches Denken und Handeln“, „Gehirn, Nerven und Psyche“, „Lebensanfang“ und „Lebensende“ beteiligt.
Die Interdisziplinäre Profilierung Medical Humanities können Medizinstudierende als eine von fünf Schwerpunktsetzungen wählen. Sie wird von der AG Geschichte und Wissenschaftstheorie der Medizin gemeinsam mit den Fächern Ethik der Medizin sowie Gesundheits- und Medizinrecht gestaltet. Ziel dieser Profilierung ist es, die Studierenden in ihren reflexiven Kompetenzen zu stärken und geisteswissenschaftliche Methoden zu vermitteln, die sie dazu befähigen, sich kritisch mit den historischen, philosophischen, rechtlichen sowie ethischen Implikationen der ärztlichen Profession auseinanderzusetzen.
Die AG ist Teil der Initiative Theory-Oriented-Object-Laboratory (TOOL). In ausgewählten Veranstaltungen der Geschichte der Medizin im Kerncurriculum und in der interdisziplinären Profilierung Medical Humanities werden medizinhistorische Objektquellen in den Lehrveranstaltungen eingesetzt. Die Objekte sind eine Dauerleihgabe des Krankenhausmuseums Bielefeld, mit dem eine andauernde Kooperation besteht.
Im Longitudinalstrang Wissenschaftliches Denken und Handeln des Studiengangs Medizin betreut die AG Forschungsarbeiten in den Themenbereichen Geschichte und Wissenschaftstheorie der Medizin (Modul 5-II-MEDW, Anfang 2. Studienabschnitt, 7. Semester). Im optionalen Bachelor of Interdisciplinary Medical Sciences (B. Sc.), in dem in einem zusätzlichen Fachsemester nach dem 1. Studienabschnitt des Studiengangs Medizin die Bachelorarbeit erstellt wird, betreut die AG Bachelorarbeiten (Voraussetzung: Profilierung Medical Humanities, siehe Kurzinformationen).
Darüber hinaus betreuen wir fachrelevante Promotionsvorhaben in der Medizin. In den Fächern Geschichte und Philosophie betreuen wir Bachelor- und Masterarbeiten sowie Promotionsprojekte.
Bitte kontaktieren Sie uns zeitnah, wenn Sie die Betreuung einer Abschlussarbeit durch Mitarbeitende der AG anstreben.
24.6.-27.6.2025: Master Class on Epistemic Injustice with Miranda Fricker, co-organized by Lara Keuck and Christian Nimtz
07.11.2024: Introducing TOOL: Theory Oriented Object Laboratory Mini-Workshop, Thursday, November 7, 14.15-15.45, A2-107
Organized by Lisa Regazzoni and Lara Keuck
Was können wir über Theorien, insbesondere über Theorien der Geschichte und Theorien des medizinischen Wissens, lernen, wenn wir Objekte untersuchen? TOOL, das Theory Oriented Object Laboratory (Raum A2-107), ist ein neuer Veranstaltungsort und ein Gemeinschaftsprojekt, das sich mit dieser Frage aus verschiedenen historiografischen Perspektiven und anhand einer Vielzahl von materiellen Objekten und Sammlungen befasst. Wir laden alle Interessierten herzlich ein, an unserem Eröffnungsworkshop teilzunehmen und mehr über TOOL und die Möglichkeiten zur Teilnahme an dem Projekt und zur Auseinandersetzung mit Theorien durch Objekte zu erfahren
30.9.-2.10.2024: Workshop "Philosophical Engagement with Biology of Medicine“ including the 5th PhilInBioMed Network Meeting, organized by Lara Keuck, Marie I. Kaiser, Alkistis Elliott-Graves, Fridolin Gross and Thomas Pradeu, ZiF Bielefeld: Mehr Informationen (ZiF), Mehr Informationen (Philinbiomed)
13.06.2024: „Der Faschismus in den Köpfen“: Eine Neukonzeption von Behinderung in der post-euthanistischen Gesellschaft.
Ob bei der Inklusionsdebatte oder der Pränataldiagnostik, der Streit um den gesellschaftlichen Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen sowie um die „richtigen“ Lehren, die aus den Erfahrungen mit der NS-Eugenik und den „Euthanasie“-Morden zu ziehen sind, kommt nicht zur Ruhe. Der Vortrag geht der Frage nach, wie, wann und durch wen in der BRD der Nachkriegsjahrzehnte ein radikal neues Verständnis von Behinderung - auch gerade von geistiger Behinderung - entwickelt wurde und mit welchem Gegenwind die diversen Akteur:innen zu kämpfen hatten. Zum Thema Vergangenheitsbewältigung ist inzwischen viel geschrieben worden; zum Praxiswandel weniger. Erst ab den 1970er-1980er Jahren konnte eine „antipostfaschistische“ Generation eine neue Behindertenpädagogik mitsamt Schulintegrationsexperimenten einerseits und einer Enthospitalisierungsbewegung andererseits – letzteres im Namen der 50.000 Menschen mit geistiger Behinderung, die entweder in veralteten Großanstalten behaust oder in psychiatrischen Abteilungen „fehlplatziert“ geblieben waren – ins Leben rufen. Mit welchen säkular-politischen und theologisch-philosophischen Argumenten die Aktivist:innen hantiert haben – und wie letztendlich auch die Krüppelbewegung die Sache der Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen zu ihrer eigenen machte – hiervon wird die Historikerin Dagmar Herzog am 13.6.23 erzählen.
Dagmar Herzog ist Professorin für Geschichte am Graduate Center der City University of New York. Sie hat zahlreiche Publikationen zur Sexual- und Geschlechtergeschichte in der Moderne, zu Holocaust-Studien und zur Geschichte der Religion veröffentlicht, u. a. Sexuality in Europe: A Twentieth-Century History (Cambridge, 2011); Lust und Verwundbarkeit (Wallstein, 2018); Die Politisierung der Lust (Siedler, 2005; Psychosozial 2021); Cold War Freud: Psychoanalyse in einem Zeitalter der Katastrophen (Cambridge, 2017; Suhrkamp, 2023). Zurzeit forscht sie zur Theologie und Politik der Behinderung in Deutschland, 1870-2020. Ankündigung (pdf)
28.11.2023: Interdisziplinäre Paneldiskussion. Veränderbarkeit und Wirkmächtigkeit von medizinischen Diagnosen. Mehr
17.10.2023: Kolloquium Gender-Gastprofessorin Prof.in Dr. Londa Schiebinger. “From the Mind Has No Sex? to Gendered Innovations” Mehr Informationen, Ankündigung (pdf)