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Abteilung Geschichte

© Universität Bielefeld

Reinhart-Koselleck-Gastprofessur

Reinhart Koselleck gilt als einer der bekanntesten Historiker des 20. Jahrhunderts, der der Geschichtswissenschaft, aber auch anderen Geistes- und Kulturwissenschaften mit seinen Arbeiten zur Begriffsgeschichte, zur Theorie der Geschichte und zur politischen Ikonographie prägende Impulse vermittelt hat. Kosellecks Veröffentlichungen stehen für eine Geschichtswissenschaft, die die Untersuchung geschichtlicher Phänomene konsequent mit einer Reflexion historischer Grundbegriffe und Denkfiguren verbindet. Er hat auf diese Weise exemplarisch gezeigt, wie die Geschichtswissenschaft überzeugend auf ihre eigene „Theoriebedürftigkeit“ antworten kann.

In Erinnerung an die langjährige Tätigkeit Reinhart Kosellecks für die Universität Bielefeld, an deren Gründung er bereits maßgeblich beteiligt war, haben die Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie sowie das Rektorat der Universität Bielefeld die Reinhart-Koselleck-Gastprofessur eingerichtet. Mit ihr werden herausragende Wissenschaftler*innen, die mit ihren Arbeiten einen erheblichen Beitrag zur theoretischen Reflexion und Weiterentwicklung der historischen Forschung geleistet haben, für einen Gastaufenthalt an der Universität Bielefeld eingeladen.

Die Gastprofessur wird alle zwei Jahre vergeben. Der*die Inhaber*in der Koselleck-Gastprofessur ist für einen zweimonatigen Aufenthalt an der Universität Bielefeld (während der Vorlesungszeit) in das akademische Leben der Fakultät und insbesondere des Zentrums für Theorien in der historischen Forschung eingebunden.

Reinhart-Koselleck-Gastprofessorin 2024

Ewa Domańska ist im SoSe 2024 und WS 2024/25 als Koselleck-Professorin zu Gast in Bielefeld.

Sie ist Professorin für Humanwissenschaften an der Fakultät für Geschichte der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań, Polen und zudem korrespondierendes Mitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften (PAN). Seit 2002 ist sie regelmäßige Gastprofessorin an der Stanford University (Spring Term). Ihre Lehr- und Forschungsinteressen umfassen die Theorie und Geschichte der Geschichtsschreibung, die vergleichende Theorie der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie die Umweltwissenschaften, die Ökozid- und Genozidforschung.

Zu Domańskas jüngsten Veröffentlichungen gehören:

  • Knowledge in the Shadow of Catastrophe (gemeinsam herausgegeben mit Katarzyna Bojarska et al., Brill 2024, im Druck).
  • A História para além do humano [Geschichte jenseits des Menschlichen], eds. Julio Bentivoglio und Taynna Marino (Rio de Janeiro: Fundação Getulio Vargas Press, 2024, im Druck).
  • „Wondering About History in Times of Permanent Crisis“ (Storia della Storiografia, Bd. 82, Nr. 2, 2022: 29-37).
  • „Prefigurative Humanities“ (History and Theory, Bd. 60, Nr. 4, Dezember 2021: 141-​158).
  • Zusammen mit Jacek Małczyński ist Ewa Gastherausgeberin des Special Issue „The Environmental History of the Holocaust“ (Journal of Genocide Research, Bd. 22, Nr. 2, 2020).

Ehemalige Reinhart-Koselleck-Gastprofessor*innen

Foto von Ethan Kleinberg

Ethan Kleinberg war im November/Dezember 2021 als Koselleck-Professor zu Gast in Bielefeld.

Ethan Kleinberg ist der Class of 1958 Distinguished Professor of History and Letters an der Wesleyan University und Chefredakteur der Zeitschrift History and Theory. Kleinbergs umfangreiche wissenschaftliche Arbeit erstreckt sich über die Bereiche Geschichte, Philosophie, vergleichende Literaturwissenschaft und Religion. Insbesondere beschäftigt sich Kleinberg mit der Art und Weise, wie die Vergangenheit unsere Gegenwart heimsucht und uns in die Zukunft drängt. Um dieser komplexen zeitlichen Verstrickung besser gerecht zu werden, plädiert er für einen dekonstruktivistischen Ansatz. Sein aktuelles Buchprojekt erweitert diese Untersuchung durch die Frage, wie das, was er „temporale Anarchie“ nennt – die uneingeschränkte Vermischung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft –, zu einem anderen Verständnis von Geschichte führen kann, das nicht durch das Gewesene eingeschränkt wird, sondern sich stattdessen für das Mögliche interessiert und uns so zu kritischem politischem und ethischem Handeln anleitet. Die Vergangenheit als Zukunft, wenn man so möchte, anstatt einer zukünftigen Vergangenheit.

Aus seinen wichtigsten Arbeiten seien genannt:

Literatur

  • Emmanuel Levinas’s Talmudic Turn: Philosophy and Jewish Thought (Stanford University Press, October 2021).
  • Haunting History: for a deconstructive approach to the past (Stanford University Press, 2017)
  • Generation Existential: Martin Heidegger’s Philosophy in France, 1927-61 (Cornell University Press, 2006).
  • Theses on Theory and History (Wild On Collective, 2018).
  • Presence: Philosophy, History, and Cultural Theory for the Twenty-First Century co-edited with Ranjan Ghosh (Cornell University Press, 2013).
  • “Post-Modern Theory with Historical Intent: a deconstructive approach to the past” in Philosophy of History: Twenty-First Century Perspectives ed. Jouni-Matti Kuukkanen (London: Bloomsbury, 2021).
  • “Are Historians Ontological Realists? An Exchange (on Kleinberg’s Haunting History)”, Herman Paul and Ethan Kleinberg,  Rethinking History (2018), 22:4, 546-557, DOI: 10.1080/13642529.2018.1530820
  • “Just the Facts: the Fantasy of a Historical Science,” History of the Present: a journal of critical inquiry (University of Illinois Press), Vol. 6, No. 1 (Spring 2016).
  • “Not Yet Marrano: Levinas, Derrida and the ‘ontology’ of Being-Jewish,” in Traces of God: Derrida and Religion, Edward Baring and Peter Gordon eds. (Fordham University Press, 2014).
     
Foto von François Hartog

François Hartog war im Oktober/November 2018 als Koselleck-Professor zu Gast in Bielefeld.

Er ist emeritierter Professor an der École des hautes études en sciences sociales (EHESS) in Paris und studierte bei Jean-Pierre Vernant. Seine Arbeiten verbinden auf hervorragende Weise die Geistesgeschichte der Antike mit Fragen der Historiografie und Geschichtstheorie. Gerade in jüngster Zeit haben seine tiefen Analysen des gegenwärtigen Zeitverständnisses ihn zu einem der der viel diskutierten Geschichtstheoretiker gemacht. Seine Vorstellung von Zeitregimen hat eine tiefe gesellschaftspolitische Dimension, die dabei die Rolle von Geschichte und Geschichtsschreibung bedenkt. Die Freilegung eines Phänomens, das er ‚Präsentismus‘ nennt, gibt stark zu denken.

Aus seinen wichtigsten Arbeiten seien genannt:

Literatur

  • Régimes d'historicité. Présentisme et expériences du temps, Paris 2003. Englisch: Regimes of Historicity: Presentism and Experiences of Time, New York 2015.
  • Regimes of Historicity: Presentism and Experiences of Time. New York: Columbia University Press, 2015.
  • De l’histoire universelle à l’histoire globale? Expériences du temps, in: Le Débat 154 (2009), S. 53–66. Deutsch: Von der Universalgeschichte zur Globalgeschichte? Zeiterfahrungen, in: trivium 9 (2011), trivium.revues.org/4059
  • Évidence de l'histoire. Ce que voient les historiens, Paris 2005.
  • Les usages politiques du passé (hrsg. zusammen mit Jacques Revel), Paris 2001.
  • Für eine Archäologie des historischen Denkens, Jörn Rüsen (Hrsg.): Westliches Geschichtsdenken. Eine interkulturelle Debatte, Göttingen 1999, 117-126.
  • Mémoire d'Ulysse : récits sur la frontière en Grèce ancienne, Paris, 1996.
  • Memories of Odysseus: Frontier Tales from Ancient Greece. Chicago: University of Chicago Press, 2001.
  • Temps et histoire: "Comment écrire l'histoire de France?, in: Annales 50 (1995), 1219-1236.
  • Le xixe siècle et l'histoire. Le cas Fustel de Coulanges, Paris 1988.
  • Le Miroir d'Hérodote. Essai sur la représentation de l'autre, Paris 1980.
  • The Mirror of Herodotus: The Representation of the Other in the Writing of History. Berkeley: University of California Press, 1988.
  • The Invention of History: The Pre-History of a concept from Homer to Herodotus. History and Theory 39:3 (2000), 384–385.
  • Time and Heritage. Museum International 57:3 (2005), 7–18.
  • The Double Fate of the Classics. Critical Inquiry 35:4 (2009), 964–979.
  • Polybius and the First Universal History. In Peter Liddel and Andrew Fear (eds.), Historiae Mundi: Studies in Universal History. London: Bloomsbury, 2010, 30–40.
  • The Modern Régime of Historicity in Face of Two World Wars. In Chris Lorenz and Berber Bevernage (eds.), Breaking up Time: Negotiating the Borders between Past, Present and Future. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2013, 124–133.

Filme

  • Croire en l'histoire. Flammarion, 2013.
  • Partir pour la Grèce. Flammarion, 2015.
  • La nation, la religion, l'avenir : Sur les traces d'Ernest Renan. Gallimard, 2017.
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