Bereits in den 1970er Jahren habe ich zusammen mit Gernot Böhme und Wolfgang van den Daele unter dem Namen „Finalisierung der Wissenschaft“ ein Modell der Wissenschaftsentwicklung entworfen, das sowohl die Bedingungen der kognitiven Autonomie als auch die Steuerungsimpulsen aus Politik und Wirtschaft berücksichtigt hat. Von besonderer Bedeutung ist dabei historisch und systematisch das wechselnde Beziehungsgefüge von Wissenschaft und Technologie. Das Finalisierungsmodell wurde zwar im Laufe der Zeit erheblich modifiziert, erwies jedoch seine Fruchtbarkeit bis hin zu den neuen Diskussionen über Modus2, Governance und Transdisziplinarität.
Frühe Veröffentlichung: Die Finalisierung der Wissenschaft. In: Zeitschrift für Soziologie 2 1973, 128-144
Neue Veröffentlichung: „Der harte Kern“. Wissenschaft zwischen Politik und Philosophie bei Carl Friedrich von Weizsäcker und in der Finalisierungstheorie (2013)
Ausführliche Literaturhinweise unter Publikationen.
Die soziologischen Ursprünge der neuzeitlichen Wissenschaft liegen in der Entfaltung des Ingenieurswesen und anderer auf Erfindung, Entdeckung und Erneuerung ausgerichteter Berufsgruppen, in der rhetorischen Kultur des Humanismus und in der begrifflichen Theoriearbeit der scholastischen Philosophie. Meine Forschungen untersuchen deren wechselseitige Durchdringung und Befruchtung in der Renaissance. Von herausragendem Einfluss auf mich war die Wiederentdeckung der Schriften des emigrierten Wissenschaftshistorikers Edgar Zilsel, die ich 1976 auf deutsch herausgab und 2002 und zusammen mit Diederick Raven historisch-kritisch edierte. Zum Mittelpunkt meiner wissenschaftshistorischen Arbeiten wurde später Francis Bacon, der als erster den Begriff der Forschung als Kern des modernen Wissensbegriffs identifizierte und die wechselseitige Abhängigkeit von wissenschaftlichem und gesellschaftlichem Fortschritt sah.
Frühe Veröffentlichung: Zur soziologischen Interpretation der neuzeitlichen Wissenschaft (1976).
Neue Veröffentlichung: Francis Bacons literarische Experimente (2009).
Die Theorie selbstorganisierender System, die aufgrund neuer Computermodellierungen in den 1980 Jahren in vielen Forschungsgebieten wichtig wurde, erregte mein Interesse einmal als ein Beispiel eines Paradigmenwechsels und einer wissenschaftlichen Revolution im Sinne Thomas Kuhns, zum andern als ein neuer Ansatz auch für die Wissenschaftsforschung mit Blick auf die Modellierung der sogenannten ‚internen‘ und ‚externen‘ Faktoren der Wissenschaftsentwicklung.
Frühe Veröffentlichung: Selbstorganisation - Zur Genese und Entwicklung einer wissenschaftlichen Revolution (1987)
Neue Veröffentlichung: Die Selbstorganisation der Wissenschaft zwischen Forschungsdynamik und Institutionenstruktur. (2011)
In mehreren Projekten habe ich mit verschiedenen Mitarbeitern untersucht, wie experimentelle Praktiken sich außerhalb der anerkannten Institutionen der Wissenschaft ausbreiten. Beispielfelder sind ökologische Gestaltungsprozesse, der gesellschaftliche Umgang mit Müll und Abfall, politische Reformprojekte, komplexe Technologien und Zulassungsverfahren in Medizin und Gentechnologie. Realexperimente werfen besondere Legitimations- und Akzeptanzprobleme auf, da die Risiken des Nichtwissens und Scheiterns nicht auf die Laborwelten eingegrenzt werden können. Andererseits bieten sie auch neue Partizipationschancen in wissenschaftsbasierten Modernisierungsprozessen, bei denen es nicht nur um Anwendung erprobten Wissens, sondern auch um Erzeugung und Austestung neuen Wissens geht.
Frühe Veröffentlichung: Die Gesellschaft als Labor (1990).
Neue Veröffentlichung: Von der Instauratio Magna zur Dystopia Magna? Das endlose Experiment der gesellschaftlichen Modernisierung (2013).
Transdisziplinäre Forschung findet statt in Projekten, die nicht durch Spezialgebiete der Wissensschaft, sondern durch realweltliche Problemlagen angeregt worden, deren konkrete Lösung in Vordergrund steht. Realexperimente sind übrigens ein wichtiger Modus der Problembearbeitung. Da Wissenschaft immer auf verallgemeinerungsfähige Erkenntnis zielt, entsteht durch transdisziplinäre Forschung eine Spannung zwischen der Fokussierung auf einen individuellen Fall und dem Interesse an übertragbarem, theoretisch modellierbarem Wissen. Ich vermute, dass sich in der gleichzeitigen Berücksichtigung von Spezifikation und Generalisierung eine neue Struktur des wissenschaftlichen Lernens zeigt, die ich herausarbeiten möchte.
Veröffentlichung: Interdisciplinary Cases and Disciplinary Knowledge – Epistemic challenges of interdisciplinary research (2010
Mein jüngstes Forschungsgebiet ist die Untersuchung ästhetischer Qualitäten in Wissenschaft und Technologie. Wissenschaftliches Wissen ist immer gestaltetes Wissen und beruht auf einer besonderen Transformation der Sinnesleistungen durch Instrumente und Experimente, auf einer Stilistik der Begriffsbildung und formalen Kodierung, auf der Rhetorik wissenschaftlicher Texte und auf die Einbettung disziplinärer oder epochaler Wissenskulturen. Die Untersuchung der Ästhetik in den Wissenschaften schließt an den wissenschaftssoziologischen Konstruktivismus an, vermeidet jedoch die Reduktion auf externe Einflüsse, sondern fokussiert auf die innere Konstruktivität der Wahrnehmungs- und Gestaltungsprozesse der Wissenschaft. Da diese Gestaltungsarbeit in besonderem Maß in der projektförmigen transdisziplinären Arbeit und bei dem Design von Realexperimenten gefordert wird, bilden diese Themen einen übergeordneten Zusammenhang.
Veröffentlichung: Ästhetik in der Wissenschaft (2006)