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E Pluribus Unum? Ethnische Identitäten in transnationalen Integrationsprozessen in den Amerikas

© Simon Eugster

Forschungsprojekt:

E Pluribus Unum? Ethnische Identitäten in transnationalen Integrationsprozessen in den Amerikas

Mit dem Fokus auf religiösen Identitätspolitiken arbeiten wir als Fellows in der Forschungsgruppe 2008/2009 „E pluribus unum?“ des Zentrums für interdisziplinäre Forschung mit. Ziel der Zusammenarbeit ist u.a. die Konzeptionalisierung des Modells eines „identitätspolitischen Feldes“, mit dem zentrale Operationsweisen transnational organisierter ethnischer und religiöser Identitätspolitiken erklärt werden können.

Leitung: Sebastian Thies (Bielefeld), Josef Raab (Duisburg-Essen), Olaf Kaltmeier (Bielefeld)

Wie in kaum einer anderen Weltregion treffen in den Amerikas kulturelle, soziale und politische Gegensätze zwischen der industrialisierten Welt und den "Entwicklungs"-ländern aufeinander. Die hieraus resultierenden Spannungen bewirken tief greifende Transformations- und Transkulturationsprozesse in den Gesellschaften der Amerikas. Die umfangreichen transnationalen Migrationsbewegungen, die Multiethnizität und Multikulturalität sowie die zunehmende Ausdifferenzierung der Lebensstile verändern nachhaltig herkömmliche Formationen kultureller Identität. Hierzu tragen auch soziale Phänomene wie die technologische Revolution medialer Produktions-, Diffusions- und Rezeptionsbedingungen sowie die Herausbildung globaler Konsumkulturen bei, die von Castells mit dem Konzept der informationellen Phase der Globalisierung erfasst werden. Die medientechnologische Revolution und die gesellschaftliche Beschleunigung führen zu einer Raum-Zeit-Kompression (Harvey), in deren Kontext es zu tief greifenden De- und Reterritorialisierungen kommt, die von einer Zunahme identitätspolitischer Konflikte geprägt sind. Die Konfliktträchtigkeit dieser kulturellen Transformationen zeigt sich gerade dort, wo das Überdauern (post-)kolonialer Herrschaftsstrukturen betroffen ist: In der Politisierung ethnischer Identitäten, im Aufbrechen patriarchaler Gesellschaftsstrukturen, im Umbruch religiös begründeter Formen von sozialer Hegemonie. Kulturelle Identitäten werden in diesem Kontext zunehmend strategisch - d.h. in Form von Identitätspolitiken - in sozialen, politischen und wirtschaftlichen Auseinandersetzungen eingesetzt.

Zielsetzung der Forschungsgruppe ist es, zu ergründen, wie Akteursgruppen in wechselnden Konstellationen vor der Folie lokaler, translokaler, nationaler und transnationaler Interaktionshorizonte auf Diskurse und Performanz unterschiedlicher Identitäten (Ethnizität, Klasse, Gender, Religion, Alter, Konsumorientierung u.a.) zurückgreifen und neue Identitäten (Hall) herausbilden. Erfasst werden sollen hierbei die aufgrund von Entwurzelung, Marginalisierung und Fremdbestimmung zunehmende Fragmentierung, Hybridisierung sowie die Fluidität identitärer Zuordnungen. Diese erfordern die Vermittlung bzw. Übersetzung zwischen identitätspolitischen Strategien, Diskursen und alltagsweltlichen Praktiken, mit denen Komplexität reduziert, Widersprüche ausgehalten und Lebenszusammenhänge reorganisiert werden können.

Die Aktualität des hier umrissenen Forschungsfelds liegt darin, dass sich in den Amerikas soziale und kulturelle Umbrüche im Rahmen der gegenwärtigen Transnationalisierungsprozesse insbesondere entlang identitär aufgeladener Konfliktlinien entwickeln. Hierbei sollen a.) das Zusammenwirken von verschiedenen Akteursgruppen in identitätspolitischen Konstellationen, b.) die komplexen Vermittlungsprozesse zwischen identitären Praktiken der Alltagswelt, institutionellen Kontexten, Kulturproduktion und sozialen Bewegungen und c.) die Übersetzungsprozesse zwischen verschiedenen Identitätsformationen erfasst werden. Um diese Forschungsdesiderate einlösen zu können, orientiert sich das Projekt der Forschungsgruppe an der Weiterentwicklung der von Bourdieu als offenem Vokabular entworfenen Feldtheorie, die eine Konzentration der Analyse sozialer Kräfteverhältnisse, der Produktion materieller und symbolischer Güter sowie sozio-kultureller Strategien erlaubt. Aufgrund der Anschlussfähigkeit von, auf der einen Seite, text- bzw. diskursanalytischen Methodiken aus Literatur-, Film- und Kulturwissenschaft sowie, auf der anderen Seite, akteursorientierten Ansätzen aus Soziologie und Geschichtswissenschaft kann das Modell des identitätspolitischen Feldes die empirische Arbeit in den einzelnen Teilprojekten methodologisch und theoretisch orientieren. Mittels eines interdisziplinären Dialogs, der in vier Projektphasen geführt werden soll, soll eine umfassende Beschäftigung mit den Funktionsweisen und der Bedeutung von Identitätspolitiken in den gegenwärtigen Transnationalisierungsprozessen stattfinden. Die Projektphasen beschäftigen sich im Einzelnen mit den folgenden Aspekten:

 

Phase I: Das identitätspolitische Feld: Theoretische Grundlagen (Okt. - Dez. 2008)

  • Konstellationen sozialer und kultureller Akteure in ethnischen Konflikten und Aushandlungsprozessen
  • Artikulationen identitärer Diskurse, Selbst- und Fremdpositionierungen
  • Migration, ethnische Diaspora und translokale Gemeinschaften
  • Konstituierung, Erzählung und Performanz neuer ethnischer Identitäten
  • De- und Reterritorialisierungen und Interaktionshorizonte ethnischer Akteure

Phase II: Medien und ethnische Identitätspolitiken (Januar - März 2009)

  • Ethnische Repräsentationen vor dem Hintergrund der medientechnologischen Revolution
  • Ethnische Selbstrepräsentation und mediale Partizipation
  • Medien und Strategien kulturellen Widerstandes

Phase III: Ethnizität in urbanen Räumen (März - Mai 2009)

  • Ethnizität in urbanen Semiotiken
  • Ethnizität als Ressource in der Städteplanung sowie im Stadtmarketing
  • soziologische Ansätze für die Analyse ethnischer städtischer Bewegungen
  • interethnische, kulturelle Alltagspraktiken

Phase IV: Ethnizität, Hybridität und plurale Identitäten (Mai - Juli 2009)

  • die Ambivalenz ethnischer und kultureller Hybridität
  • die Interkonnektivität von Ethnizität mit anderen identitären Identifikationsmustern wie Gender, Klasse, Nationalität und politischer Ideologie
  • instabile Selbstverortungen als Ergebnis des Konzepts pluraler Identitäten
  • die Dekolonisierung des Wissens als Konsequenz postkolonialer Reflektion ethnischer Positionierungen

Team / Kooperationen

Forscher:
Heinrich Schäfer, Adrián Tovar

Kooperation:
ZiF

Förderung:
Land NRW durch das ZiF

Publikationen

Schäfer: „Identität als Netzwerk. Ein Theorieentwurf am Beispiel religiöser Bewegungen im Bürgerkrieg Guatemalas.A In: Berliner Journal für Soziologie Bd. 15, 2005, Nr. 2, S. 259-282. [Download PDF]

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