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Pneumatologie aus koreanischer Perspektive

© Simon Eugster

Pneumatologie aus koreanischer Perspektive

Verfasser: Man Joon Kim

Beschreibung

Auch wenn die Missionsgeschichte in Korea nur eine kurze Zeit zu verzeichnen hat, verdient sie dennoch durch ihr rasantes Wachstum die Beachtung der theologischen Forschung. Viele Wissenschaftler sind der Meinung, dass die Pfingstbewegung die genuine Ursache für dieses rasante Wachstum sei. Als in der koreanischen Gesellschaft die Industrialisierung und Verstädterung in den Jahren 1960/70 ihre Blütezeit erfuhr, führte die Pfingstbewegung zu einem Wiederaufblühen der koreanischen Kirche. Stellvertretend dafür steht die Yeouido Full Gospel Church. Sie wurde 1958 gegründet und hatte drei Jahre später, im Jahre 1961, 400 Gemeindemitglieder. 1968 waren es bereits 8000, 1979 100.000 Mitglieder und 1984 überschritt sie die 400.000 Mitglieder-Grenze und wurde dadurch zur größten Gemeinde der Welt.

Der Grund, weshalb die Pfingstkirche in Korea so erfolgreich war und ist, liegt mitbegründet in ihrem Verständnis des Heiligen Geistes. Die Besonderheit dieser Pneumatologie in Korea ist an folgenden mystischen Elementen erkennbar: Durch Gebete werden besondere Gefühle und Erfahrungen hervorgerufen. Diese mystischen Erfahrungen rücken das gemeinschaftliche Leben und den persönlichen Glauben in den Mittelpunkt. Deshalb kann man sagen, dass es sich bei der Pfingstkirche um eine mystische Kirche handelt. Vom heiligen Geist erfüllt wird im Diesseits ein segensreiches Dasein angestrebt, was mit einer Abkehr von der Realität einhergeht, und das Seelenheil im Jenseits wird betont. Dieser Betrachtungsweise ist eine sehr individualistische Tendenz zu eigen.

Die Pneumatologie der Pfingstkirche steht in enger Beziehung zum Schamanismus, der wiederum fest in der koreanischen Gesellschaft und Mentalität verankert ist. Mithilfe einer Schamanin oder eines Schamanen, "Mudang", wird Kontakt zu den Geistern hergestellt. Der Mudang, einer Vermittlerin zwischen den Geistern und den Menschen, wird die Fähigkeit zugeschrieben, Geister zu rufen. Im Rahmen einer speziellen Zeremonie, die "Gut" genannt wird, findet ein Tanz statt, durch den zum einen Glück und Segen angestrebt und zum anderen Unheil abgewendet werden soll.

Das Charakteristische am Schamanismus in Korea ist das Bemühen um gegenwärtiges Heil und eine gewisse Abkehr von der Realität. In diesen Punkten besitzen die Pfingstkirche und der Schamanismus viele Gemeinsamkeiten.

Die koreanische Kirche erfuhr wegen ihres Verständnisses vom heiligen Geist und seiner praktischen Umsetzung in relativ kurzer Zeit ein erstaunliches Wachstum, das gegenwärtig fast zum Stillstand gekommen ist. Im Laufe der Zeit zeigten sich viele kritische Punkte. Beispielsweise spielten für viele Menschen sehr persönliche Gründe, nämlich die eigene Errettung die Hauptrolle, während die Sorge und Beachtung der Gesellschaft völlig vernachlässigt wurde.

Seit 1980 fand in der koreanischen Gesellschaft eine Demokratisierungsbewegung statt. Zuvor erlitten die Bürger Repressalien durch eine diktatorische Regierung, weshalb sie sich nach Befreiung und Freiheit sehnten und versuchten, Gerechtigkeit und Freiheit in der koreanischen Gesellschaft zu realisieren. Doch waren die koreanischen evangelischen Kirchen der autoritären Regierung zugewandt, anstatt die Demokratisierungsbewegung zu unterstützen. Man ignorierte den sehnlichen Wunsch der Bürger nach Gerechtigkeit und Frieden. Infolgedessen verloren die Bürger das Vertrauen in die koreanischen evangelischen Kirchen und wandten sich zunehmend ab. Mitte der 80er Jahre stagnierte ihr Wachstum und die evangelischen Kirchen wurden aufgrund ihres Desinteresses an der Fürsorge um die Gesellschaft zum Gegenstand der Kritik.

Diese Situation hatte großen Einfluss auf die Pneumatologie der koreanischen evangelischen Kirchen. Die Pneumatologie der Pfingstkirche beschränkt sich auf das Individuum. Der Fokus liegt dabei auf dem eigenen Wohlergehen und dem eigenen segensreichen Dasein, und nicht auf dem diakonischen Bereich, der sich für die Mitmenschen und die Gesellschaft engagiert. Das Desinteresse zeigt sich ebenso bei der Armut, bei seelischen Nöten, bei Fragen der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt.

Kann mit Hilfe einer neuen, veränderten Pneumatologie diese Krise überwunden werden? Wie muss diese neue Pneumatologie beschaffen sein, um diese Krise überwinden zu können?

Das Bemühen um einen Neuzugang entdecke ich in der der koreanischen Tradition tief verwurzelten Idee des "GI", (auf Koreanisch "Gi", sonst oft als chinesisch "Qi"; "Chi" bezeichnet), einer "asiatischen Energie", die im Großen eine Entsprechung in der Lehre vom Heiligen Geist hat. Der heilige Geist wird hier als eine Energie verstanden, die auf das Leben gerichtet ist. Auf diese Weise wird der Versuch einer Neuinterpretation der Pneumatologie unternommen, die auf dem koreanischen Schamanismus und dem asiatischen Energiegedanken basiert.

Eine neue Pneumatologie für die koreanische Kirche wäre in dieser Hinsicht eine ganzheitliche Pneumatologie. Ganzheitlich bedeutet, dass die Seele nicht vom Körper getrennt betrachtet wird. Dasselbe gilt für das Individuum, die Gesellschaft, den Menschen und die Welt. Das Wirken des Heiligen Geistes beschränkt sich nicht nur auf die Errettung des einzelnen Menschen, sondern umfasst auch die Rettung der Menschheit, der Gesellschaft und der Schöpfung.

Das Ziel einer solchen ganzheitlichen Pneumatologie ist die Errichtung des Reiches Gottes durch das Wirken des Heiligen Geistes.

Das Wirken des Heiligen Geistes wird nicht allein als Errettung der Menschen verstanden, sondern auch der gesamten Schöpfung, um damit das Reich Gottes aufzubauen. Vor den 90er Jahren hatte es die Evangelische Kirche versäumt, bezüglich der Pneumatologie auf das Errichten des Reich Gottes hinzuarbeiten. J. Moltmann bekräftigt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Wichtigkeit, in der Pneumatologie den Fokus auf die Errichtung des Reich Gottes zu legen, woran sich M. Welker anschloss.

Das Wirken des Heiligen Geistes für das Reich Gottes wird verstanden als Arbeitet für die Gerechtigkeit, die Befreiung, die Freiheit, den Frieden in der Welt und die Bewahrung und Rettung der Schöpfung.

Team / Kooperationen

Forscher:
Man Joon Kim

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