Bielefelder Lehrer*innenbildung
Dieses FuE-Projekt wird durch den Qualitätsfonds für die Lehre 2020 gefördert.
Es handelt sich um ein Lehrkonzept, das die heterogenen biographischen Schulerfahrungen und damit verbundenen Vorstellungen von “guter” Schule von Lehramtsstudierenden zum Anlass nimmt, um diese mit anderen schulpraktischen sowie wissenschaftlichen Konzepten zu Bildung und inklusiver Schule zu kontrastieren. Mit dem didaktischen Fokus auf Biographie-Arbeit und dem methodischen Schwerpunkt auf reflexivem Schreiben und (digitaler) Portfolio-Arbeit, wird den Studierenden individuelles Lernen ermöglicht und sie werden so für die Herausforderungen einer inklusiven Gesellschaft sensibilisiert.
Es handelt sich um ein Blockseminar, das einmal pro Kalenderjahr angeboten wird. Im Rahmen des Seminars erfolgt eine Exkursion zu einer Universitäts- bzw. Versuchsschule in Deutschland.
Lehramtsstudierende beginnen ihr Lehramtsstudium mit einer bestimmten Vorstellung von Schule, die stark von den individuellen Schulerfahrungen geprägt ist:
„Jeder Erzieher ist auch ein Erzogener; die eigenen biographischen Erfahrungen ihrer Erziehungs- und Schulgeschichte prägen – reflektiert oder unreflektiert – das eigene Berufsverständnis von Lehrerinnen und Lehrern, ihr Verhältnis zur Schule und zu den Schülern mit“ (Heinritz, 2013, S.114).
Das Blockseminar „Was ist eine „gute“ Schule? Biographische und wissenschaftliche Reflexion anhand einer Exkursion zur Versuchsschule XY“ setzt hieran an, indem Studierende andere Konzepte von Schule kennenlernen, die nicht den persönlichen Erfahrungen entsprechen. Als Exkursionsorte werden daher Schulen ausgewählt, die sich dezidiert im Rahmen eines wissenschaftsbasierten Schulentwicklungsverständnisses in besonderer Weise den Phänomenen von Inklusion und Heterogenität widmen. Durch die Verankerung des Seminars zu Beginn des bildungswissenschaftlichen Studiums (2. oder 3. Bachelorsemester) sollen die Studierenden befähigt werden, die Inhalte ihres weiteren Studiums nicht nur mit dem Blick ihres biographisch geprägten Schulverständnisses wahrzunehmen
Die Studierenden lernen im Seminar die Diversität von Vorstellungen von „guter“ Schule kennen und setzen diese mit der eigenen Schulbiographie in Verbindung. Dabei wird den subjektiven Zugängen (Groeben et al., 1988) zu „guter“ Schule Raum gegeben und diese werden sowohl auf praktischer Ebene (konkrete Schulkonzepte) als auch auf theoretischer Ebene (unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven auf Schule i.S. der Bielefelder multiparadigmatischen Lehrer*innenbildung, vgl. Heinrich et al., 2019a) kontrastiert.
Im Blockseminar findet die Heterogenität der Studierenden mit Blick auf ihre schulische Biographie eine besondere Berücksichtigung, indem viel Raum für die individuelle schriftlich-reflexive Auseinandersetzung mit Hilfe von (digitaler) Portfolio-Arbeit eingeräumt wird.
Das Format reagiert damit auf die Frage: „Wie können innovative Lehrkonzepte und Lehrmaterialien gestaltet sein – auch digitale Formate – die die Heterogenität der Studierenden besonders berücksichtigen?“ (s. Ausschreibungstext) und versucht zudem hier Fragen der Barrierefreiheit (digitaler) Portfolioarbeit in der individuellen Auseinandersetzung mit den Studierenden zu bearbeiten.
Möglich wird dies durch einen intensiven Austausch in der Gruppe über die persönlichen Erfahrungen und andere (wissenschaftliche) Perspektiven auf Schule. So bietet das Seminarkonzept durch den stetigen Rückbezug auf die subjektiven Zugänge zu Schule den Studierenden ein individuelles, auf die eigenen Vorstellungen bezogenes Lernen und sie werden so „für die Herausforderungen einer inklusiven Gesellschaft sensibilisiert“ (ebd.).
Konkret umgesetzt werden soll das Lehrkonzept als Blockseminar mit einer Begrenzung auf 25 Teilnehmer*innen.
Zunächst erfolgt eine reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Schulbiographie, die dann mit mehreren (vermutlich) stark kontrastierenden Konzepten von Schule konfrontiert wird: Die Studierenden lernen das Format von Versuchs- bzw. Universitätsschulen und konkret die Bielefelder Versuchsschulen kennen.
Die theoretische Vorbereitung der Exkursionen besteht in der Auseinandersetzung mit dem Bildungsbegriff und mit heterogenen wissenschaftlichen Perspektiven auf Schule (Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie) und der Verbindung zu Schultheorien (Heinrich, 2015). Nach Exkursionen zu den Bielefelder Versuchsschulen Laborschule und Oberstufen-Kolleg und der Auseinandersetzung mit deren Inklusionskonzepten sowohl für die Primarstufe und Sekundarstufe I (Biermann et al. 2019) sowie der Oberstufe (Lübeck et al. 2018) folgt eine Exkursion zu einer Schule des Verbunds Universitäts- und Versuchsschulen (VUVS) (vgl. WE_OS-Jahrbuch, 2020). In den ersten beiden Durchgängen sollen hierfür die Versuchsschule Helene-Lange-Schule Wiesbaden (Bietz et al., 2020) sowie die Universitätsschule Dresden (Langner & Heß, 2020) besucht werden.
In der Nachbereitung der Exkursion wird angesichts der neuen Akteurskonstellation in der inklusiven Schule (Bender & Heinrich 2016) basierend auf Studien zur multiprofessionellen Zusammenarbeit (Heinrich et al., 2019b) und daraus abgeleiteten Fortbildungskonzepten (Lau, Heinrich & Lübeck, 2019) und Seminarkonzepten mit unterschiedlichem Professionsbezug (bspw. Sonderpädagogik & Sozialpädagogik; vgl. Heinrich, Lütje-Klose & Streblow 2019) reflektiert, wie im multiprofessionellen Team „gemeinsam individualisiert“ (Bender et al., 2019) werden kann.
Schließlich wird im Seminar mit Blick auf einen kumulativen Kompetenzerwerb ausblickhaft auf weitere Anknüpfungspunkte im Lehramtsstudium eingegangen, wie z.B. inklusiver Schulentwicklung (Werning & Baumert, 2013) oder Forschendem Lernen zur Inklusion mit besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Fachspezifik (Basten, Mertens & Wolf, 2019).
Insgesamt erfolgt im Seminar ein stetiger Rückbezug zu den individuellen Schulerfahrungen und den subjektiven Zugängen der Studierenden (vgl. Strukturmodell zum reflexiven Lernen in der Lehrer*innenbildung nach Häcker, 2017).
Die Exkursion zu einer Schule des Verbunds Universitäts- und Versuchsschulen (VUVS) bietet besondere Professionalisierungserfahrungen für Lehramtsstudierende. So bieten diese spezifischen Orte i.d.R. einen starken Kontrast zu den durch die eigenen Erfahrungen geprägten Vorstellungen von Schule. Sie zeichnen sich durch ein besonderes Verhältnis von Schulkonzeption, Forschung und Entwicklung aus, wodurch ein Perspektivwechsel i.S. eines forschenden Blicks auf Schule (im Studium sowie als Lehrkraft) angebahnt werden kann. Zudem lernen die Studierenden durch dieses Verhältnis Möglichkeiten eines innovativen Umgangs mit herausfordernden Lagen kennen, der an Best-Practice-Modellen (vgl. Reich 2019, S. 76) anschaulich wird. Die Universitäts- und Versuchsschulen erlauben außerdem einen besonderen Ausblick auf Praxisforschung sowie Schulentwicklung, was für die Studierenden im Rahmen ihrer weiteren Praxisphasen (BPST, Praxissemester) und der bildungswissenschaftlichen Module im Master of Education anschlussfähig ist.
Durch die Exkursionen wird für die Studierenden eine Praxisbegegnung vor Ort möglich, die auch die Räumlichkeit von Schule einschließt und Gespräche mit Lehrpersonen und Schüler*innen über ihre Erfahrungen in der Schule ermöglicht (vgl. Auner, Schüssler & Palowski-Göpfert, 2020). Durch die Exkursion an eine Schule des VUVS haben die Studierenden die Möglichkeit, neben den Bielefelder Versuchsschulen auch eine Universitätsschule kennenzulernen, die sie sonst nicht erkunden könnten.
Nach dem Seminar können sich die Studierenden dann weiter individuell mit spezifischen schulbezogenen Aspekten auseinandersetzen, indem sie eigenverantwortlich weitere Lerngelegenheiten rund um die Versuchsschulen am Standort Bielefeld (Laborschule, Oberstufen-Kolleg) wahrnehmen. Somit kann die Exkursionsbegegnung als Anlass zur kritisch-reflexiven Praxiserschließung dienen.
Neben der wegen der erhofften Vergleichbarkeit wahrscheinlich eher indikatorengestützten Evaluationsmaßnahme seitens des ZLL soll angesichts der Spezifik des biographischen Zugangs und der Bedeutung subjektiver Erfahrungen zudem ein SoTL-Projekt durchgeführt werden:
"Scholarship of Teaching and Learning (im Weiteren kurz: SoTL) ist die wissenschaftliche Befassung von Hochschullehrenden in den Fachwissenschaften mit der eigenen Lehre und/oder dem Lernen der Studieren-den im eigenen institutionellen Umfeld durch Untersuchungen und systematische Reflexionen mit der Absicht, die Erkenntnisse und Ergebnisse der interessierten Öffentlichkeit bekannt und damit dem Erfahrungsaustausch und der Diskussion zugänglich zu machen." (Huber, 2014, S. 21).
Mit Hilfe qualitativer Verfahren (bspw. Reaktionsmusteranalyse), die in Lehrerfortbildungsevaluationen eingesetzt wurden (Lau, Heinrich & Lübeck, 2019) soll so versucht werden, sich gegenstandsorientiert den veranstaltungsspezifischen hochschuldidaktischen Effekten zu nähern (z.B. zu der Frage, zur Reflexion welcher Aspekte der Besuch der Universitäts- bzw. Versuchsschule die Studierenden anregt).
Die Begleitung des Vorhabens durch ein SoTL-Projekt ermöglicht es, die (Forschungs-)Ergebnisse als OER z.B. in den Bielefelder Zeitschriften „PraxisForschungLehrer*innenBildung – PFLB“ oder „Herausforderung Lehrer*innenbildung – HLZ“ zu publizieren. Die für das Seminar erstellten Materialien können über die Zeitschrift „Die Materialwerkstatt“ als OER zur Nachnutzung zur Verfügung gestellt werden.
Außerdem können die Erfahrungen mit reflexivem Schreiben im Workshop „Implementierung des Bielefelder Portfolio Praxisstudien in der Lehre“ diskutiert werden, welcher einmal pro Semester mit Lehrenden der Bielefelder Lehrer*innenbildung stattfindet. Ebenso können konkrete Übungen oder Produkte von Studierenden (z.B. aus dem e-Portfolio Tool Mahara) beim BI.teach-Tag oder in einer Lehrbar vorgestellt werden.
Der zweite Durchgang des Seminars fand vom 25.09.-29.09.2023 statt. Es erfolgte eine Exkursion zur Helene-Lange-Schule Wiesbaden.
Der erste Durchgang des Seminars fand vom 26.09.-30.09.2022 statt. Es erfolgte eine Exkursion zur Universiätsschule Dresden.
Gruppenfoto Exkursionsseminar Sommersemester 2022
Gespräch der Seminargruppe mit Schulleiterin Maxi Heß