Kulturvermittelnde Lehr- und Veranstaltungsreihe
Bei "Eine Universität, ein Buch" steht jeweils ein ausgewählter literarischer Text im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die kulturvermittelnde Lehr- und Veranstaltungsreihe umfasst neben einem literaturwissenschaftlichen Seminar und einer interdisziplinären Vortragsreihe auch die Begegnung mit den jeweiligen Autor*innen in Form von Autor*innenlesungen und -gesprächen.
Im Wintersemester 2024/2025 bildet Dmitrij Kapitelmans Roman Eine Formalie in Kiew den Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe des Fachbereichs Germanistik und der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld. "Das Buch erfüllt zum einen das Ziel der Reihe literarische Texte zu präsentieren, die einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis gegenwärtiger kultureller, politischer und sozialer Debatten leisten", sagt Prof. Dr. Claudia Hillebrandt. "Zum anderen bringt die Reihe Literaturschaffende, Stadtgesellschaft und Forschende an der Universität miteinander ins Gespräch", ergänzt Dr. Mareike Gronich.
Instagram: eine.uni.ein.buch
Das komplette Programm vom 22.10.24 bis zum 14.01.25 findet sich hier.
Die Lehr- und Veranstaltungsreihe "Eine Universität, ein Buch" besteht aus einem Seminar an der Fakultät für Germanistik und einer interdisziplinären Vortragsreihe, zu der nicht nur Studierende sondern alle Mitglieder der Universität Bielefeld und die Stadtgesellschaft herzlich eingeladen sind. Den Rahmen dieser Vorträge bildet jeweils eine Begegnung mit dem Autor Dmitrij Kapitelman:
Am 22.10.2024 findet unter dem Titel "Von Formalien und undurchsichtigen Vätern" ein Autorengespräch in der Wissenswerkstatt Bielefeld statt. Dmitrij Kapitelmann spricht mit der Journalistin und Osteuropa-Expertin Sonja Zekri (Süddeutsche Zeitung) über seinen Roman, über das Schreiben und Lesen, über engagierte Literatur und über die aktuelle gesellschaftliche und politische Situation (nicht nur) in Deutschland.
Am 14.01.2025 bildet die Lesung aus Kapitelmans zweitem Roman Eine Formalie in Kiew den Abschluss der Reihe.
Dmitrij Kapitelman liest aus seinem 2021 erschienen Roman Eine Formalie in Kiew
14.01.2025 | 19 Uhr | Wissenswerkstatt Bielefeld
Eine Formalie in Kiew ist die ergreifende Geschichte einer Familie, die einst voller Hoffnung in die Fremde zog, um ein neues Leben zu beginnen, und nun vor einem Haufen Katzen und einer mysteriösen Krankheit steht. Erzählt mit dem bittersüßen Humor eines Sohnes, der stoisch versucht, Deutscher zu werden. Dmitrij Kapitelman kann besser sächseln als die Beamtin, bei der er den deutschen Pass beantragt – nach 25 Jahren als Landsmann, dem Großteil seines Lebens. Aber der Bürokratie ist keine Formalie zu klein, wenn es um Einwanderer geht. Frau Kunze verlangt eine Apostille aus Kiew. Also reist er in seine Geburtsstadt, mit der ihn nichts mehr verbindet außer Kindheitserinnerungen. Schön sind diese Erinnerungen, warten doch darin liebende, unfehlbare Eltern. Und schwer, denn gegenwärtig ist die Familie zerstritten. Bis das Schicksal sie in Kiew wieder zusammenführt.
Dmitrij Kapitelman, 1986 in Kiew geboren, kam im Alter von acht Jahren als 'Kontingent-Flüchtling' mit seiner Familie nach Deutschland. An der Universität Leipzig studierte er Soziologie und Politikwissenschaften und absolvierte anschließend die Deutsche Journalistenschule in München. Heute arbeitet er als freier Journalist, unter anderem für das Zeit-Magazin. Heute arbeitet er als freier Journalist. 2016 erschien sein erstes Buch Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters. 2021 folgte dann sein zweiter Roman, Eine Formalie in Kiew, das mit dem Buchpreis "Familienroman der Stiftung Ravensburger Verlag" ausgezeichnet wurde. Kapitelman schreibt außerdem Erzählungen. Zuletzt erschien Die 13 toten Nachbarinnen in der von Dana von Suffrin herausgegebenen Anthologie Wir schon wieder – 16 jüdische Erzählungen.
Instagram: eine.uni.ein.buch
Kontakt: mgronich@uni-bielefeld.de
Weitere Informationen zum Roman finden sich hier.
Dmitrij Kapitelmann sprach zum Auftakt der diessemestrigen Reihe "Eine Universität, ein Buch" mit Sonja Zekri (Süddeutsche Zeitung) über seinen Roman Eine Formalie in Kiew, über das Schreiben und Lesen, über engagierte Literatur und über die aktuelle gesellschaftliche und politische Situation nicht nur in Deutschland. Kapitelman sagt von sich selbst, er sei ein Fanboy der Journalistin und Autorin Sonja Zekri, die Ihre Themenschwerpunkte im Bereich Nahost, Osteuropa, Kultur und Religion hat und seit 2001 festangestellte Redakteurin der Süddeutschen Zeitung ist. Zuvor studierte die gebürtige Dortmunderin in Bochum Geschichte und Slawistik und besuchte die Henri-Nannen-Schule für Journalismus in Hamburg.
Zum Gespräch:
Nach der kleinen Einführung in die neue Veranstaltungsreihe sowie einer Vorstellung Sonja Zekris und Dmitrij Kapitelmans durch Frau Dr. Mareike Gronich, stellte Sonja Zekri kurz den Inhalt des Buches vor, zu dem sie kurz nach dessen Erscheinung 2021 eine Rezension verfasst hatte. Viele der in diesem Buch behandelten Themen, wie Migration, Identität, Generationskonflikte und Krankheit, wurden an diesem Abend angesprochen.
Er, Dmitrij Kapitelman, selbst würde vielen Interpretationen widersprechen, weil er fände, dass größere Aspekte des Buches oft von der Öffentlichkeit nicht aufgegriffen würden, zum Beispiel das Thema der Einwanderungspolitik in Deutschland oder politische Gewalt. Auf letzteres verwies er auch im Laufe des Gesprächs immer wieder – es scheint ihm sehr am Herzen zu liegen. Er erzählte auch, dass Eine Formalie in Kiew ursprünglich als politischer Essay begann, er aber bemerkte, dass er viel mehr zu verarbeiten hatte, als er es in einem politischen Essay hätte machen können. Außerdem betonte Kapitelmann im Gespräch deutlich die Grenze zwischen sich und dem Protagonisten des Romans, bezeichnete Dima immer wieder als „Erzähler“ oder „Sohn“.
Innerhalb der Buch-Familie herrscht laut Kapitelman ein Rigorismus. Dieses Familienthema wird auch innerhalb der Öffentlichkeit häufiger aufgenommen und besprochen, weswegen die Veranstaltungsreihe unter anderem diesen Gegenstand in einer weiteren Veranstaltung thematisieren wird. Wie Kapitelmans Eltern selbst zu dem Buch stünden? Sie wären der Meinung gewesen, dieser Text enhielte "zu viel Persönliches". Er selbst sagte auch, dass er dieses Buch mit seiner heutigen Sichtweise nicht mehr so schreiben würde, wie er es getan hat und wie wir es heute alle kennen. Dennoch, fügte er gegen Ende aufgrund einer Frage aus dem Publikum hinzu, würde er heute sehr gerne mit Frau Kunze aus dem Einbürgerungsamt ein Gespräch führen.
Im Großen und Ganzen redete Kapitelman im Gespräch mit Sonja Zekri über die politischen Verhältnisse heute und zur Zeit des Buches, sein Leben beziehungsweise seine Erfahrungen sowie über die im Buch behandelten Themen. Mit dem Publikum teilte er im Laufe des Abends überlegt, einfühlsam und vorsichtig seine Gedankengänge und verwies mehrfach auf das weiterhin aktuelle Thema der politischen Gewalt. Jede Frage beantwortete er gewissenhaft und machte augenzwinkernd auf Selbstwidersprüche aufmerksam. Zum Schluss machte er ein bisschen Eigenwerbung indem er alle Anwesenden wissen ließ, dass sein neues Buch voraussichtlich am 18. Februar 2025 publiziert werde, ein Roman mit dem Titel Russische Spezialitäten.
Aufmerksam zugehört haben bei dem Gespräch Studierende des Seminars, der deutsch-ukrainische Lesekreis, die literarische Gesellschaft OWL und einige Personen der Stadtgesellschaft sowie Lehrende der Universität Bielefeld.