In der Forschung werden zur Einordnung psychischer Störungen verschiedene Klassifikationssysteme verwendet. Darin werden die Symptome, Auftretenswahrscheinlichkeiten und Verläufe der einzelnen Störungsbilder beschrieben. Das am häufigsten verwendete System ist das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen in der fünften Version (DSM-5, Falkai & Wittchen, 2015). Eine dieser Kategorien sind die Trauma- und belastungsbezogenen Störungen. Sie sind durch traumatische oder stressreiche Ereignisse gekennzeichnet, die zu psychologischen Stresssymptomen führen, z.B. Angst, Ärger oder Dissoziationen (Trennung von Wahrnehmung und Wirklichkeit). Zu den Trauma- und belastungsbezogenen Störungen zählen die folgenden fünf Unterkategorien:
Die PTBS ist eine Untergruppe der Trauma- und belastungsbezogenen Störungen. Als solche liegt der Störung ein traumatisches Ereignis zugrunde. Als traumatisches Ereignis wird die Konfrontation mit dem tatsächlichen oder drohenden Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt bezeichnet. Neben den kurzfristigen Typ-1-Traumata existieren langandauernde, sich wiederholende Typ-2-Traumata (Rosner, 2008). Zusätzlich erfolgt die Unterteilung in akzidentelle und interpersonelle Traumaursachen. Eine kurze Übersicht mit Beispielen ist in Tabelle 1 enthalten.
Tabelle 1. Beispiele für die verschiedenen Arten von Traumata (angelehnt an Maercker, 2013).
Typ-1 (kurzfristig) |
Typ-2 (langfristig) |
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akzidentell |
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interpersonell |
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Für die Diagnose einer PTBS müssen acht Kriterien erfüllt sein (Falkai & Wittchen, 2015). Bei der Diagnostik einer PTBS im Kindesalter ist zu beachten, dass sich die Symptome auch im Spielverhalten äußern können.
Nicht jede*r, der/die ein traumatisches Ereignis erlebt, entwickelt eine PTBS. Nach DSM-4 Kriterien beträgt die Wahrscheinlichkeit, einmal im Leben an einer PTBS zu erkranken (= Lebenszeitprävalenz) in den USA etwa 9%. In Europa und den meisten asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern liegt die Lebenszeitprävalenz für PTBS zwischen 0,5% und 1%. Eine Studie zur Prävalenz von PTBS bei Jugendlichen in Deutschland ergab, dass etwa 1,3% der Jugendlichen (14-24 Jahre) eine PTBS erleben. Demzufolge bestehen auch kulturelle Unterschiede bei der Entwicklung von PTBS.
Besonders gefährdet sind bestimmte Berufsgruppen, die regelmäßig traumatischen Ereignissen ausgesetzt sind (z.B. Soldat*innen). Ebenso sind Überlebende von Vergewaltigungen, Militäreinsätzen, Gefangenschaft und Genozid häufiger betroffen. Zu den ungünstigen Voraussetzungen gehören u.a. emotionale Probleme in der frühen Kindheit, bestehende psychische Störungen, niedriger sozioökonomischer Status, niedriger Bildungsgrad, niedriger Intelligenzquotient, weibliches Geschlecht und geringes Lebensalter zum Zeitpunkt des Traumas.
In der Akutphase wird eine genaue Beobachtung empfohlen, ergänzt durch soziale Unterstützung, Aufklärung und Psychohygiene. Generell lässt sich die Behandlung von PTBS in drei Phasen einteilen:
Für die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und die narrative Expositionstherapie (NET) liegt eine Reihe von Studien vor, die diese als vielversprechende Verfahren zur Behandlung von PTBS einord-nen (Rosner, 2008).
Veränderter Schlaf ist ein mögliches Diagnosekriterium von PTBS, folglich ist schon aufgrund der Störungsdefinition ein gewisser Zusammenhang zu erwarten. Zudem durcherleben viele Betroffene einer PTBS das traumatische Ereignis im Traum erneut, besonders im Kindes- und Jugendalter. Aus dem wiederholten Erleben kann eine Alptraumstörung folgen, welche die Schlafqualität und -quantität beeinträchtigt. Dies kann zu einem schlechteren Allgemeinzustand führen und somit auch die PTBS-Symptomatik verschlimmern - der/die Betroffene befindet sich in einem Teufelskreis.
Der Zusammenhang zwischen Schlaf und PTBS kann jedoch auch genutzt werden, um den Betroffenen zu helfen. Während wir schlafen, finden Lernprozesse statt. Wir verarbeiten das am Tag das Erlebte und ordnen es in unsere bisherigen Erfahrungen ein. Dies bezeichnen wir als Gedächtniskonsolidierung. Dieser Prozess kann im Umkehrschluss dazu genutzt werden, die Konsolidierung traumatischer Gedächtnisinhalte zu verhindern, etwa durch Schlafentzug (Walker & van der Helm, 2009). Außerdem kann eine Behandlung der Schlafprobleme dazu führen, dass sich die PTBS-Symptome bessern.
Im Jahr 2014 befanden sich mehr als 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, die höchste Zahl, die jemals verzeichnet wurde (Statistisches Bundesamt, 2015). Im Jahr 2016 sind allein in Deutschland von Januar bis Juli 479.620 Asylanträge gestellt worden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2016). Viele der Flüchtlinge haben Krieg, Vertreibung, teilweise auch Gefangenschaft und Folter erlebt.
Besonders die Kinder leiden unter dem Verlassen des Heimatlandes, der beschwerlichen Flucht und schließlich dem Einleben in einem fremden Land. Die Prävalenzraten für PTBS bei Flüchtlingskindern schwanken zwischen 14 und 60 Prozent. Viele von ihnen
Kinder und Jugendliche stellen mit 138.000 Anträgen ca. ein Drittel aller Asylsuchenden dar (Metzner, Reher, Kindler & Pawils, 2016). Davon kamen 77.645 als unbegleitete Flüchtlingskinder nach Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2016).
Die Versorgungssituation der Flüchtlingskinder ist prekär. Im Jahr 2015 konnten nur 13500 Geflüchtete in psychosozialen Zentren versorgt werden, was den tatsächlichen Bedarf nicht annähernd deckt (Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, 2016). Neben der Sprachbarriere sind vor allem bürokratische Hürden und eine zu geringe Anzahl an Therapieplätzen Ursache der Unterversorgung. Zudem stehen bislang keine wissenschaftlich evaluierten Therapiekonzepte für die Versorgung von traumatisierten Flüchtlingen zur Verfügung.
Aus diesem Grund richtet die Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche (HAKIJU) der Universität Bielefeld eine Stelle zur Behandlung von traumatisierten Flüchtlingskindern ein. (Weitere Infos folgen).
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016). Aktuelle Zahlen zu Asyl (Juli 2016). URL: http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/aktuelle-zahlen-zu-asyl-juli-2016.pdf?__blob=publicationFile
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (2016). Stellungnahme der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer. URL: https://www.bundestag.de/blob/426680/5813a4bcc9e1c8f6234688c256c8ebf4/bundesweite-arbeitsgemeinschaft-psychosozialer-zentren-fuer-fluechtlinge-und-folteropfer-e--v---baff--data.pdf
Döpfner, M. & Zaudig, M. (2015). Trauma- und belastungsbezogene Störungen. In M. Döpfner und M. Zaudig (Hrsg.), Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5 (361-396). Göttingen: Hogrefe.
Falkai, P. & Wittchen, H.U. (2015). Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5. Göttingen: Hogrefe.
Maercker, A. (Hrsg.) (2013). Posttraumatische Belastungsstörungen (4. Aufl.). Berlin: Springer.
Rosner, R. (2008). Posttraumatische Belastungsstörung. In F. Petermann (Hrsg.), Lehrbuch der Klini-schen Kinderpsychologie, 6. Auflage. Göttingen: Hogrefe.
Statistisches Bundesamt (2015). UNHCR: 60 Millionen Menschen auf der Flucht. URL: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/ImFokus/Internationales/Fluechtlinge2014Deutschland.html
Statistisches Bundesamt (2016). Unbegleitete Einreisen Minderjähriger aus dem Ausland lassen Inobhutnahmen 2015 erheblich ansteigen. URL: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/08/PD16_268_225.html
Walker M.P. & van der Helm, E. (2009). Overnight therapy? The role of sleep in emotional brain processing . Psychological Bulletin, 135(5), 731?748.