Die Entwicklung des CRISPR-Cas-Systems als moderne Genschere hat das Gebiet der Gentechnologie revolutioniert und neue Strategien für das Genome Engineering eröffnet. Zusätzlich zu seiner Anwendung als Genom-Editierwerkzeug führte die Ausschaltung der Nukleaseaktivität und die Fusion des Cas9-Proteins mit Transaktivierungsdomänen zu einem neuartigen Genaktivierungswerkzeug, der so genannten CRISPR-Aktivierung (CRISPRa). Die funktionelle Trennung von Transkriptionsaktivierung auf Proteinebene und Genom-Targeting auf RNA-Ebene ermöglicht die gleichzeitige Aktivierung mehrerer Gene durch denselben Transkriptionsaktivator. Daher können zelluläre Expressionsprofile leicht durch die Expression verschiedener Ziel-RNAs verändert werden. Unsere Forschung konzentriert sich derzeit auf die Entwicklung von CRISPR-Aktivierungswerkzeugen für die Amöbe D. discoideum, um kryptische Biosynthesewege für die Entdeckung neuer Naturstoffe mit pharmazeutischer Anwendung zu aktivieren. Darüber hinaus werden wir CRISPRa einsetzen, um Engpässe bei der heterologen Produktion von Wirkstoffen aus Pflanzen zu überwinden.
Das Auftreten von multiresistenten Erregern stellt eine ernsthafte Bedrohung für die globale Gesundheit dar. Da die herkömmlichen Antibiotika gegen diese Erreger zunehmend an Wirksamkeit verlieren, besteht ein hohes gesellschaftliches Interesse an der Entdeckung neuer antimikrobieller Wirkstoffe. Für die Entwicklung der meisten in der Medizin eingesetzten Antibiotika dienten vor allem mikrobielle Naturstoffe als Ausgangspunkt.
Durch den Einsatz von modernen und effizienten Sequenzierungstechnologien werden Genome von Mikroorgansimen kontinuierlich entschlüsselt. Viele dieser Genome verfügen über zahlreiche Gene für die Synthese von komplexen organischen Verbindungen, von denen die meisten biologische Aktivität aufweisen, den sogenannten Sekundärmetaboliten. Allerdings besteht häufig eine große Diskrepanz zwischen der Anzahl an annotierten biosynthetischen Genen und den entschlüsselten Naturstoffen des jeweiligen Mikroorganismus, da die Bildung dieser Substanzen unter Laborbedingungen oftmals ausbleibt. Insbesondere soziale Amöben wie Dictyostelium discoideum besitzen aufgrund ihres genetischen Repertoires ein großes Potenzial für die Entdeckung neuer Wirkstoffe.
Mithilfe der synthetischen Mikrobiologie wollen wir diese kryptischen Biosynthesewege erschließen, um somit neue Naturstoffe für die Wirkstoffforschung zu entdecken. Die Forschung umfasst die Anwendung von CRISPR-Aktivierungssystemen für die gezielte Aktivierung von Sekundärmetabolit-Biosynthesewegen sowie die anschließende Prozessoptimierung in Bioreaktoren, um ausreichende Mengen der Zielsubstanzen für die Struktur- und Funktionsaufklärung zu generieren.
Pflanzliche Sekundärmetaboliten besitzen eine Fülle von biologischen Aktivitäten, von denen viele bereits in der Schulmedizin eingesetzt werden. Phytocannabinoide aus der Pflanze Cannabis sativa zum Beispiel zeigen ein starkes therapeutisches Potenzial gegen viele neuropathische Störungen und Schmerzen. Die Extraktion und Aufreinigung solcher Moleküle aus natürlichen Pflanzenquellen ist jedoch kostenintensiv und aufwändig, da die jeweiligen Pflanzen oft ein breites Spektrum verschiedener Verbindungen produzieren. Insbesondere für die Verwendung als pharmazeutischer Wirkstoff müssen die betreffenden Verbindungen höchsten Qualitätsanforderungen genügen. Neuartige Ansätze zielen daher darauf ab, mikrobielle Chassis-Organismen zur Herstellung der gewünschten Produkte in der kontrollierten Umgebung eines Bioreaktors zu nutzen. Hier wird die generelle Eignung der Amöbe D. discoideum als Chassis für die Synthese von pflanzlichen Wirkstoffen untersucht. Inspiriert durch die Tatsache, dass die Amöbe mehrere enzymatische Funktionen besitzt, die normalerweise in Pflanzen zu finden sind, nutzen wir Multi-Genexpressionssysteme für die Konstruktion heterologer Biosynthesewege und die mikrobielle Produktion von Wirkstoffen in der Amöbe. Wir haben bereits gezeigt, dass Amöben-basierte Prozesse auf industrielle Maßstäbe skaliert werden können und werden dieses Wissen weiter nutzen, um neue Bioprozesse zu entwickeln. Diese Forschung wird durch das BMBF GO-Bio Projekt "ProDICAN", FKZ 16LW0129, gefördert.