Da der christliche Glaube kein zeitloser Mythos ist, sondern unmittelbar in Gottes geschichtlichem Handeln in der Person Jesu von Nazareth gründet, sind wir auch heute noch auf die frühesten Zeugnisse der ersten Christen angewiesen, wenn wir nach der Quelle und Norm des Glaubens fragen. Gleichzeitig betont die Bibel aber auch, dass in Jesus Christus niemand anders als der Gott Israels gehandelt habe, so dass neben dem Neuen Testament auch das sog. Alte Testament für Christen von bleibender Bedeutung ist.
Diese biblischen Schriften in einer wissenschaftlich verantworteten Exegese immer wieder neu zu erschließen, zu verstehen und auszulegen, ist die Aufgabe der Biblischen Theologie.
Beschränkte sich der reflektierte Umgang mit der Bibel lange Zeit auf die Erhellung der historischen, kulturellen, überlieferungs- und sozialgeschichtlichen Hintergründe der Texte, so traten in den letzten Jahren vermehrt die sprachwissenschaftlichen und hermeneutischen Textauslegungsmethoden in den Vordergrund. Verstehen der biblischen Texte möchte dabei nicht nur einen bereits in den Texten liegenden Sinn zum Vorschein bringen, sondern muss als Lebenswelthermeneutik begriffen werden, die zugleich die Wert- und Sinnvorstellungen des/ der Lesenden selbst zur Disposition stellt. Um es mit den Worten einer afrikanischen Theologin zu sagen: Lesen kann ich viele Texte. Das Besondere an den biblischen Texten aber ist: Sie lesen auch mich!