Haben Tiere ein individuelle Persönlichkeit? Und was bedeutet das für ihr Verhalten auf verschiedenste Reize und die Wahl des jeweiligen Lebensraums?
Ratten zählen zu den intelligentesten Nagetieren. Ihr Verhalten zu erforschen ist daher spannend und vielschichtig. An der Universität Bielefeld untersucht man die individuelle Persönlichkeit der Tiere, wie stabil diese Persönlichkeitsmerkmale im Laufe der Zeit sind und beleuchtet anschließend die daraus resultierenden ökologischen Auswirkungen.
Wie reagieren Ratten auf mehrdeutige Reize und welche ökologischen Auswirkungen hat das? Mit neuen Tests aus der Emotions- und Wohlergehensforschung lässt sich feststellen, ob Tiere eher optimistische oder pessimistische Bewertungstendenzen haben. Die Tiere werden quasi gefragt, ob das Glas für sie “halbvoll” oder “halbleer” ist.
Genau wie Menschen sind Tiere optimistischer, wenn sie in guter Stimmung sind. Trotzdem bleiben einige Tiere immer optimistischer als andere, unabhängig von der Situation. Diese individuellen Unterschiede nennen wir „Tierpersönlichkeit“, welche sich in vielen verschiedenen Verhaltensweisen zeigt. Die Forschenden möchten dabei herausfinden, ob Tiere mit verschiedenen Persönlichkeiten unterschiedliche Umgebungen bevorzugen und wie gut sie sich an verschiedene Lebensräume anpassen können.
Ratten (Rattus norvegicus f. domestica) sind sehr neugierige, zutrauliche und lernfähige Tiere. Hierdurch eignen sie sich hervorragend für Verhaltenstests, die zuvor das Erlernen von bestimmten Trainingsschritten erfordern. Dies ist zum Beispiel auch der Fall, wenn man Optimismus und Pessimismus untersuchen möchte. Zudem sind Ratten für ihre einzigartigen lachähnlichen Laute im Ultraschallbereich bekannt, die vor allem in der Tierwohlforschung untersucht werden, aber auch Teil dieser Forschung sind.
Durch diese Projekte konnten Forschende bisher zeigen, dass Ratten Persönlichkeit haben und sich individuell sehr stark unterscheiden. Einige sind zum Beispiel stetig mutiger und erkundungsfreudiger als andere. In Bezug auf die optimistischen und pessimistischen Bewertungstendenzen konnte außerdem gezeigt werden, dass deren Ausprägungen sich scheinbar über verschiedene Lebensphasen hinweg verändern.
Dies ist ein Aspekt der Evolutionsforschung, denn er widerspricht der Vorstellung, dass die natürliche Selektion immer auf ein einziges optimales Verhalten abzielt. In den an Ratten durchgeführten Studien wurde zunächst untersucht, wie stabil diese Persönlichkeitsmerkmale im Laufe der Zeit sind und anschließend werden die daraus resultierenden ökologischen Auswirkungen beleuchtet. Untersucht werden soll dabei, ob Tiere mit verschiedenen Persönlichkeiten unterschiedliche Umgebungen bevorzugen und wie gut sie sich an verschiedene Lebensräume anpassen können.
Da Ratten und andere Nagetiere sehr häufig in der Forschung eingesetzt werden, könnten die gewonnenen Erkenntnisse auch in anderen Bereichen nützlich sein, wie etwa der Verbesserung des Tierwohls (Stichwort: Refinement). So können wir nicht nur mehr über die Ratten selbst lernen, sondern auch darüber, wie wir ihre Lebensbedingungen in der Forschung verbessern können.
Hier im Bild wird ein Tier bei Rotlicht gewogen. Da Ratten nachtaktiv sind, Forschende im Dunkeln aber nichts sehen, wird Rotlicht verwendet, welches Ratten nicht sehen können.