In Projektbereich D geht es um die Erzeugung, Stabilisierung und Destabilisierung von Wissen. Die Produktion von Wissen erfolgt mit Hilfe von Vergleichspraktiken, die in praxeologisch wie epistemologisch zu fassende Kontexte eingebettet sind. Dieses Wissen wird langfristig von einzelnen Akteur*innen und communities of practice systematisiert und kontinuiert, sowie transformiert und (de)stabilisiert. Das solcherart entstandene Wissen verwandelt Vergleichspraktiken in autorisierte Vergleichsformationen und verbreitet entsprechende, oftmals als ‚objektiv‘ markierte routinisierte Verknüpfungen von comparata und tertia comparationis in zahlreichen gesellschaftlichen Bereichen. Der Projektbereich untersucht den Zusammenhang von Wissensproduktion und Vergleichsformationen epochenübergreifend in sechs Teilprojekten, deren Themen von gesellschaftlichen Selbstbeschreibungen in der römischen Antike über das spätmittelalterlich-englische Präzedenzrecht, die Reiseliteratur und Ethnologie des 17.-19. Jahrhunderts bis zu Wissensformationen in den Literatur- und Naturwissenschaften sowie im Kontext der Digital Humanities des 20. und 21. Jahrhunderts reichen.
D01 (B04) | Das Vergleichen im ethnographischen Denken der Antike – Die römische Zeit bis in die Spätantike (1. – 7. Jahrhundert n. Chr.)
D02 | Vergleichende Verfahren – Präzedenzrecht im spätmittelalterlichen England
D03 (B01) | Der verglichene Körper: Ordnung in der Vielfalt der Menschen (16. – 19. Jahrhundert)
D04 (B03) | Weltvergleich und Weltwissen. Ethnographische (Reise-)Literatur und vergleichende Wissenschaften (1850 – 1950)
D05 | Vergleichendes Lesen. Konstitution und Kritik der Stilistik als einer literaturwissenschaftlichen Methode
D06 (C04) | Vergleichen an der Schnittstelle der Physical Sciences und der Life Sciences, 1960 bis 2000
Assoziiertes Projekt im SFB 1288: Praktiken der Selbstvergleichung. Ethische und hermeneutische imitatio-Konzepte in der Literatur des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit
Die Forschungsvorhaben des Projektbereichs E vertiefen Erkenntnisse der ersten Förderphase, indem sie sich mit Grenzen des Vergleichens auseinandersetzen und das in einem doppelten Sinn: Einerseits wird untersucht, welche Grenzen dem Vergleichen gesetzt werden: Wo, wie und mit welchem Erfolg werden Grenzen der Vergleichbarkeit behauptet? Wie werden Vergleichsoperationen entgrenzt und neu begrenzt, wenn sie algorithmusbasiert funktionieren? Andererseits interessiert uns, wie Praktiken des Vergleichens selbst Grenzen bestimmen und ihnen soziale Wirksamkeit verschaffen. Die Teilprojekte des Projektbereichs fragen etwa, inwiefern interne Grenzziehungen in bestimmten Vergleichskontexten zu rhetorischen und performativen Behauptungen von Unvergleichbarkeit führen und diese stabilisieren, oder wie Vergleichspraktiken selbst Grenzen setzen, indem sie Einheiten, Personen und Gruppen voneinander abgrenzen und sie als solche über längere Zeiträume hinweg erkennbar und historisierbar machen.
E01 (C03) | Vergleichsbegriffe. Historische Semantik des Vergleichens (16. – 21. Jahrhundert)
E02 (C01) | Bild-Vergleiche. Praktiken der Unvergleichbarkeit und die Theorie des Erhabenen
E03 (B06) | Jenseits rassischer Diskriminierung: „Backwardness“ und „Indigenous Peoples“
E05 (C05) | Mediale Dispositive des Vergleichens. Das operative Bild nach Harun Farocki
E06 | "Vergleichspraktiken in der Genese, Verstetigung und Transformation von 'Nationalliteratur'. Der Fall Deutschschweiz
Projektbereich F untersucht das Verhältnis zwischen Praktiken des Vergleichens und Standardisierungs- und Globalisierungsprozessen. Wie in der ersten Förderphase bereits deutlich geworden ist, lassen sich solche Prozesse der Standardisierung und Globalisierung/en – wie auch die mit ihnen einhergehenden Widerstände – gehäuft seit dem 19. Jahrhundert beobachten. Das Verhältnis hat zwei Dimensionen, mit denen sich der Projektbereich in der zweiten Förderphase näher beschäftigt: Zum einen lassen sich Prozesse der Angleichung und Verbreitung von Praktiken des Vergleichens beobachten. So unterschiedliche und vielfältige Einheiten wie „Rassen“, „Unternehmen“, „Schriftsteller“, „Immobilien“, „Staaten“ oder „Universitäten“ wurden als Objekte des Vergleichens konstruiert und im Rahmen eines weltweiten Vergleichshorizonts nach einheitlichen Kriterien wie „künstlerischem Wert“, „Preisen“, „Entwicklung“, „Macht“ oder „Exzellenz“ verglichen und bewertet. Zum anderen tragen Praktiken des Vergleichens auch selbst zu Standardisierungs- und Globalisierungsprozessen bei. Die Projekte im Projektbereich F befassen sich daher anhand einer Reihe ausgewählter Forschungsthemen – von Rassendiskursen des 19. Jahrhunderts über Literaturnobelpreise und Automobil- und Immobilienmärkte bis hin zu heutigen Machtvergleichen und Rankings – mit den Voraussetzungen, Erscheinungsformen, Grenzen und Effekten der von Vergleichspraktiken angestoßenen Standardisierungs- und Globalisierungsprozessen.
F01 (A03) | (Welt-)Ordnungen und Zukunftsentwürfe. Rassistische Vergleichspraktiken in der Karibik (1791 – 1912)
F02 | „Nullmeridian der Literatur“? Der Literaturnobelpreis als globaler Vergleichsmaßstab
F03 (A02) | Vergleichende Praktiken in Anbieterkonkurrenz und Kundenorientierung: Die amerikanische und die deutsche Automobilindustrie im 20. Jahrhundert
F04 (B07) | Global investieren, lokal vergleichen? Nationalisierung und Internationalisierung von Standards der Immobilienbewertung seit den 1970er Jahren
F05 (A01) | Machtvergleiche in Zeiten weltpolitischen Wandels, 1970 – 2020
F07 | Analogien zwischen Vergleichen als Mechanismen der „Entpartikularisierung“? Zur Konstruktion von Resonanzen zwischen kolonialen und metropolitanen Vergleichsformationen in nationalen „Gründungsdebatten“ im Deutschen Kaiserreich (1871-1918)
Assoziiertes Projekt im SFB 1288 | Wie Rankings hergestellt werden: Zur sozialen Produktion serieller Vergleiche
Das Teilprojekt untersuchte die deutschen Rundschauzeitschriften als wichtiges Medium der deutschen Kriegspublizistik in den Jahren 1914-18 und arbeitete dabei die Operationen und Funktionen des kulturellen Vergleichens heraus. Der Forschungsansatz des TP bestand darin, diese Zeitschriften als ein spezifisches Medium zu begreifen, das durch seine formale Organisation als Netzwerk von unterschiedlich gearteten Texten und durch seine thematische Ausrichtung auf die Beschreibung der eigenen Nation in der Konkurrenz mit anderen selbst eine umfassende Praxis des kulturellen Vergleichens darstellte.
Leitung
Kai Kauffmann
Mitarbeiter
Malte Lorenzen
Das Teilprojekt untersuchte die in den Amerikas in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts neu entstehenden identitätspolitischen Vergleichspraktiken in Kulturproduktion, Sozialwissenschaft und Politik. Dabei interessierten vor allem die Vergleiche zweiter Ordnung: a.) Mit Rückgriff auf welche Vergleichshinsichten werden Individuen und Gemeinschaften verglichen? und b.) Durch die Verwendung welcher unterschiedlicher Hinsichten ergeben sich Inkommensurabilitäten oder fügen sich die in den Vergleichen auftretenden Ähnlichkeiten und Unterschiede zu einem kohärenten Gesamtbild, d. h. zu einem übergreifenden komplexen Vergleich auf der Grundlage von ‚Indigeneity‘ bzw. ‚Blackness‘, zusammen?
Leitung
Olaf Kaltmeier
Wilfried Raussert
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Pablo Campos
Susana Rocha Teixeira
Der englische Roman des 18. Jahrhunderts kann als Ort der Verhandlung gesellschaftlichen Wandels betrachtet werden, wobei explizite und implizite Vergleiche zwischen Figuren, die sowohl thematisch als auch durch erzählerische Mittel hergestellt werden, eine zentrale Rolle spielen. Entscheidend ist dabei, dass gesellschaftlich-diskursive Vergleichspraktiken nicht nur mit literarischen Mitteln thematisiert, kommentiert und bewertet werden, sondern dass literarische Figuren auch dem Aushandeln neuer Vergleichshinsichten dienen, welche ihrerseits in die Gesellschaft zurückwirken. Das TP untersuchte dieses Ineinandergreifen literarisch-diskursiver und gesellschaftlich-diskursiver Vergleichspraktiken vor dem Hintergrund der Modernisierung der englischen Gesellschaft.
Leitung
Marcus Hartner
Ralf Schneider
Mitarbeiterin
Kristina Ebeling
Das Teilprojekt entfaltete eine Epochen übergreifende Paradoxie in der Erfahrung und Gestaltung von Subjektivität: Das Individuelle gilt als unvergleichlich und wird doch durch einen sozial-gesellschaftlichen Kontext des Vergleichens hergestellt. Autobiographische Texte bilden eine exponierte Form dieser grundlegenden, durch vielfältige historisch-narrative Operationen des Vergleichens evozierten und zugleich dargestellten Spannung. Das geschichts- und literaturwissenschaftliche Projekt verfolgte die dabei implizit und explizit zum Ausdruck kommenden Vergleichspraktiken exemplarisch an Texten des 11./12. und 19. Jahrhunderts.
Leitung
Franz Arlinghaus
Walter Erhart
Mitarbeiter
Carina Engel
Lena Gumpert
Mareike Gronich
Simon Siemianowski