Das Bielefelder Standortprojekt im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern
In dieser Teilmaßnahme findet eine konzeptionelle Weiterentwicklung und Evaluation des Schülerhilfeprojekts »Schule für alle« statt, das sich an Grundschüler*innen mit bildungsrelevanten Benachteiligungsfaktoren und Lehramtsstudierende der Universität Bielefeld richtet.
Im Rahmen des Projektes entwickeln Studierende der Lehramtsstudiengänge Grundschule und Grundschule mit Integrierter Sonderpädagogik entlang der individuellen Ausgangssituationen der teilnehmenden Kinder vielfältige Förder- und Handlungsstrategien, die sie in der pädagogischen Einzelfallarbeit mit ‚ihrem Projektkind‘ in schulischen und außerschulischen Bereichen umsetzen. Die individuelle Förderung basiert auf den lebensweltorientierten Bedarfen und Bedürfnissen der Kinder, die in Kooperation mit den zuständigen Klassenlehrkräften und der begleitenden Dozentin herausgearbeitet werden (Hänsel & Kottmann, 2014).
In der Teilmaßnahme „Das Projekt »Schule für alle«: ein Format zur kritisch-reflexiven Praxisorientierung“ werden die gewonnen Erkenntnisse aus der ersten Phase systematisch in die Projektkonzeption eingepflegt, um dieses im Sinne eines nachhaltigen Wissensmanagements für andere (universitäre) Standorte verfügbar zu machen. Dabei werden die Intentionen und die Umsetzungspraxen der einzelnen Bausteine des Projekts »Schule für alle« (wie z.B. die Praxisbegleitung eines Kindes durch Studierende, die inhaltlichen Schwerpunkte der Seminararbeit und Begleitung bzw. Beratung der Studierenden, die Bestandteile der Teamarbeit, die Peerberatung usw.) detailliert dargestellt und reflektiert, auch unter Rückgriff auf die in der ersten Phase gewonnen empirischen Daten. Die Perspektive der Lehramtsstudierenden wird systematisch einbezogen und es kann durch das in der ersten Phase gewonnene empirische Material eine Konkretisierung und Ausgestaltung der Konzeption vorgenommen werden, zum Beispiel hinsichtlich der Projektverläufe oder der inhaltlichen Ausrichtung der universitären Begleitung. Neben einer schriftlichen Darstellung wird auch die Erstellung eines Imagefilms über das Projekt »Schule für alle« angestrebt.
In der ersten Förderphase lag ein besonderer Fokus auf den Erfahrungen, die die Lehramtsstudierenden in ihrer Selbstsicht während der Teilnahme am Projekt »Schule für alle« als bedeutungsvoll (als angehende Lehrkraft) wahrgenommen haben und wie sie diese für ihren eigenen Professionalisierungsprozess erlebten. Auf einem Prompts-gestützten Reflexionsbogen dokumentierten und reflektierten die Lehramtsstudierenden regelmäßig (im ca. zwei- bis dreiwöchigen Rhythmus) ihre Erfahrungen. Über einen inhaltsanalytischen Zugang wurden diese zunächst auf das Wesentliche reduziert (Mayring, 2010), um anschließend Erfahrungen identifizieren zu können, die sich bei den einzelnen Studierenden, wie auch im Kollektiv zeigten. Insgesamt zehn Erfahrungsmuster wurden bereits herausgearbeitet, die die Studierenden (in ihrer Selbstsicht) wiederkehrend als relevant markierten. Dazu zählt beispielsweise das Wahrnehmen und Auseinandersetzen mit der Beziehung zum Kind, in der Anerkennung und Wertschätzung vermehrt in den Vordergrund rücken, wie auch Einblicke in die schulische und außerschulische Lebenswirklichkeit der Kinder. Aber auch konkrete (didaktische und diagnostische) Aspekte zu verschiedenen Lehr-Lernsituationen werden von den Studierenden aufgegriffen und zum Reflexionsgegenstand gemacht, ebenso wie erlebte Unsicherheiten und Irritationen (z.B. Pieper & Kottmann 2019, Pieper & Kottmann 2020).
Die identifizierten Erfahrungsmuster wie auch die gewonnenen Gesamtergebnisse werden in der zweiten Phase entlang der einzelnen Projektbausteine von »Schule für alle« reflektiert, um z.B. Seminarinhalte der Begleitveranstaltung und Kooperationsstrukturen mit den Schulen/ Lehrkräften auf die resultierenden Bedarfe hin zu optimieren (in Vorbereitung).
In der zweiten Förderphase konnte bereits über eine Analyse von Praktikumsberichten der beteiligten Studierenden mittels der Dokumentarischen Methode multiple Professionalisierungschancen und –zugewinne aufgezeigt werden. Auffällig ist hier die Interdisziplinarität der professionellen Weiterentwicklung, die sowohl theoretische Wissensbestände als auch strukturtheoretische und habituelle Weiterentwicklungen beinhaltet (eingereicht: Reh, Kottmann & Miller).
Die Teilmaßnahme „Das Projekt »Schule für alle«: ein Format zur kritisch-reflexiven Praxisorientierung“ verortet sich primär im Zentrum „Praxisreflexion in der Lehrer*innenbildung“ und arbeitet diesem gezielt zu. Dies soll folgend anhand von drei exemplarisch gewählten Materialien konkretisiert werden:
Kottmann, B. & Pieper, C. (2020). “Projekt Schule für alle” as a mentoring programme in university teacher education: Professionalization processes of student teachers in different practical university phases. In Hungarian Educational Research Journal, 10 (3), S. 232–251. doi.org/10.1556/063.2020.00022
Pieper, C., Kottmann, B. & Miller, S. (2020a). Fallportraits von Bielefelder Grundschulkindern: Fallarbeit in der (phasenübergreifenden) Lehrer_Innenbildung. In HLZ – Herausforderung Lehrer_innenbildung, Zeitschrift zur Konzeption, Gestaltung und Diskussion, 3 (1), S. 94–171. doi.org/10.4119/hlz-2484
Pieper, C., Kottmann, B. & Miller, S. (2020b). Professionelle Kompetenzwahrnehmung von Lehramtsstudierenden in Praxisphasen. Zusammenstellung eines Erhebungsinstruments mit den Schwerpunkten auf diagnostischen und didaktischen Kompetenzen sowie dem Umgang mit Heterogenität. In HLZ – Herausforderung Lehrer_innenbildung, Zeitschrift zur Konzeption, Gestaltung und Diskussion, 3 (1), S. 184-200. doi.org/10.4119/hlz-3201
Pieper, C. & Kottmann, B. (2020). Kindliche Lebenswirklichkeit aus der Perspektive von Lehramtsstudierenden: „Ich verstehe jetzt, warum er in der Schule so motiviert ist!“ In N. Skorsetz, M. Bonanati & D. Kucharz (Hrsg.), Diversität und soziale Ungleichheit. Herausforderungen an die Integrationsleistung der Grundschule. Jahrbuch Grundschulforschung. Band 24. Wiesbaden: Springer VS, S. 310-314.
Pieper, C. & Kottmann, B. (2019). Einblicke in Normalitätsvorstellungen von Lehramtsstudierenden – „Die Situation meines Förderkindes habe ich mit meiner eigenen verglichen und Mitleid gespürt“. In: Esefeld, Marie / Müller, Kirsten / Hackstein, Phillipp et al (Hrsg.), Inklusion im Spannungsfeld von Normalität und Diversität. Band II: Lehren und Lernen. Klinkhardt, Bad Heilbrunn, S. 75-82.
Pieper, C., Kottmann, B. & Miller, S. (2018). Kritisch-reflexive Praxiserfahrungen in der Grundschule: Das Projekt „Schule für alle“. In E. Feyerer, W. Prammer, E. Prammer-Semmler, C. Kladnik, M. Leibetseder & R. Wimberger (Hrsg.), System. Wandel. Entwicklung. Akteurinnen und Akteure inklusiver Prozesse im Spannungsfeld von Institution, Profession und Person. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 293-297.
Reh, A., Kottmann, B. & Miller, S. (2021). Inklusionspädagogische Professionalisierung in universitären Praxisphasen des Lehramtsstudiums - Etablierung berufsspezifischer habitualisierter Reflexionsprozesse durch Einzelfallarbeit im Projekt „Schule für alle“. In QfI - Qualifizierung für Inklusion, Online-Zeitschrift zur Forschung über Aus-, Fort- und Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte (eingereicht).
Störtländer, J.C., Fiedler-Ebke, W., Jürgens, E., Kindsvater, L., Klenner, D., Pieper, C., & Valdorf, N.(2020). Kritisch-reflexive Professionalisierung in schulischen Praxisphasen. Fünf Reflexionsangebote und ihre wissenschaftliche Begleitung im Rahmen des bildungswissenschaftlichen Lehramtsstudiums an der Universität In Herausforderung Lehrer_innenbildung, 3 (2), S. 399–435. https://doi.org/10.4119/hlz-2538.
Im Interview beleuchten Brigitte Kottmann und die Grundschullehrerin und ehemalige Teilnehmerin Nikola Meinholz das Projekt und die gemachten Erfahrungen.