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Forschung

NMR-Röhrchen mit violetten Schlieren
© Julia Bader

Forschung

Nicht versuchen - machen!

Bert Hoge

Der Einfluss elektronenziehender Substituenten wie z. B. Perfluororganyl-Gruppen ist essentiell für die Stabilisierung von Molekülen mit außergewöhnlichen Bindungssituationen. Trifluormethyl-substituierte Verbindungen weisen eine sehr hohe Lewis-Acidität auf, wodurch die Synthese so ungewöhnlicher Moleküle wie z. B. Phosphiniger Säuren oder Stannylene ermöglicht wird. Allerdings neigen diese Substanzen zur Zersetzung unter Difluorcarben-Eliminierung. Die elektronisch sehr ähnliche Pentafluorethylgruppe erweist sich als deutlich beständiger und die entsprechenden Elementverbindungen sind in guten Ausbeuten und großen Maßstäben verfügbar. Daraus ergibt sich für Pentafluorethyl-Element-Verbindungen eine vielfältige und einzigartige Synthesechemie.

Phosphinige Säuren

31P   Die Stabilisierung Phosphiniger Säuren

Diorganylphosphinige Säuren, R2P-O-H, sind prinzipiell instabil gegenüber einer Tautomerisierung zu den entsprechenden Phosphanoxiden, R2P(O)H. Die im Gleichgewicht auftretenden Phosphinigen Säuren können durch Koordination an geeignete Übergangsmetall-Komplexe abgefangen oder durch stark elektronenziehende Substituenten stabilisiert werden.

Gleichgewicht Phosphinige Säure - Phosphanoxid

Die Bis(trifluormethyl)phosphinige Säure, (CF3)2POH, stellt bis heute das einzige literaturbekannte Beispiel einer gegenüber einer Tautomerisierung zum entsprechenden Phosphanoxid stabilen Phosphinigen Säure dar. Ihre Übergangsmetallkomplexe zeichnen sich prinzipiell für eine Anwendung in der Homogenkatalyse aus. Von einer Anwendung im größeren Maßstab ist jedoch abzuraten, da Bis(trifluormethyl)phosphinige Säure, (CF3)2POH, wie auch Tris(trifluormethyl)phosphan, P(CF3)3, nahezu explosionsartig mit Luftsauerstoff reagieren.
 

Vergleich Tris(trifluormethyl)phosphan und Tris(pentafluorethyl)phosphan mit Luftsauerstoff

P(CF3)3 (links) und P(C2F5)3 (rechts)

Im Vergleich zu P(CF3)3 erweist sich die homologe Verbindung P(C2F5)3 aufgrund des deutlich geringeren Dampfdrucks als relativ unempfindlich gegenüber Kontakt mit Luftsauerstoff. Daher sollte auch (C2F5)2POH gefahrloser handhabbar sein als (CF3)2POH.
In Kooperation mit der Firma Merck, Darmstadt, gelang uns die erstmalige Synthese von (C2F5)2POH, dem zweiten bekannten Beispiel einer Phosphinigen Säure. Diese sowie auch deren katalytisch aktive Übergangsmetallkomplexe sind Gegenstand eines gemeinsam mit der Firma Merck angemeldeten WO-Patents.

119Sn   Elektronisch stabilisierte Stannylene

Die Mehrzahl der monomeren Stannylene SnR2 ist kinetisch durch sterisch anspruchsvolle Substituenten stabilisiert. Stannylene mit sterisch weniger anspruchsvollen Gruppen neigen zur Oligomerisierung. über eine elektronische Stabilisierung von SnR2-Derivaten ist hingegen wenig bekannt. Beobachtungen deuten auf eine mögliche Stabilisierung von Stannylenen durch elektronenziehende Gruppen hin, jedoch gibt es bislang nur eine einzige literaturbekannte Synthese eines solchen Stannylens: Sn(CF3)2 · n PMe3 konnte spektroskopisch nachgewiesen werden, allerdings zersetzt es sich bei Raumtemperatur.
Das bei Raumtemperatur stabile (C2F5)2SnH2 eliminiert reduktiv Wasserstoff unter Zugabe eines Donors wie THF, wodurch Bis(pentafluorethyl)stannylen, Sn(C2F5)2, gebildet wird.

Reaktion zum Stannylen

Das Stannylen liegt in Lösung donorstabilisiert als Monomer vor und konnte als Dimethylaminopyridin-Addukt Sn(C2F5)2 · 2 DMAP auch röntgenkristallographisch untersucht werden. Das Bis(pentafluorethyl)stannylen eröffnet eine vielfältige Koordinationschemie.

29Si   Silane als äußerst starke Lewis-Säuren

Während (CF3)3SiNEt2 nicht in Substanz isoliert werden kann, da es während der Aufarbeitung zu einer Difluorcarben-Eliminierung kommt, ist (C2F5)3SiNEt2 selbst bei erhöhten Temperaturen stabil und im Multigramm-Maßstab in guten Ausbeuten zugänglich. Es erweist sich als hervorragende Ausgangsverbindung für die Darstellung zahlreicher Tris(pentafluorethyl)silicium-Derivate. Das Fluorsilan (C2F5)3SiF zeichnet sich als äußerst starke Lewis-Säure aus, deren Fluorid-Ionen-Affinität sogar die von AsF5 übersteigt. Die entsprechenden Fluorosilikate [(C2F5)3SiF2]- und [(C2F5)3SiF3]2- sind Teil von gemeinsam mit den Firmen BASF und Merck angemeldeten Patenten.

Neben diesen Elementen richtet sich unsere Aufmerksamkeit auch auf pentafluorethylsubstituierte Germanium-, Blei- und Bismutverbindungen.

Untersuchungsmethoden

Die im Rahmen dieser Untersuchungen synthetisierten Verbindungen werden unter anderem mittels multinuklearer NMR-Spektroskopie und Analyse der Spektren höherer Ordnung unter Verwendung des Programms gNMR charakterisiert. Die Analyse der Infrarot- und Raman-Spektren erfolgt unter Berücksichtigung quantenmechanischer Methoden, wie sie im Programm-Paket Gaussian 09 implementiert sind.
Die sich aus DFT-Methoden ergebenden Strukturvoraussagen, deren Zuverlässigkeit über die sehr gute übereinstimmung zwischen theoretischen und experimentellen Schwingungsfrequenzen abgeleitet werden kann, werden in der Regel durch die Ergebnisse von Einkristall-Strukturanalysen und Elektronenbeugung in der Gasphase (GED) abgesichert.
Durch Untersuchungen der temperaturabhängigen relativen Konzentrationen von Rotationsisomeren in der Gasphase und lösungsmittelabhängigen Gleichgewichte werden experimentell die relativen Energien der jeweiligen Isomere ermittelt. Die auf diese Weise bestimmten relativen Energien stimmen ausgezeichnet mit durch DFT-Methoden berechneten Werten überein. Daher sind wir in der Lage, im Vorfeld einer Synthese mit Hilfe quantenmechanischer Rechnungen beispielsweise geeignete Substituenten R für die Stabilisierung Phosphiniger Säuren zu bestimmen.

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