Die für die Erreichung der Klimaziele notwendige Transformation der nationalen Mietwohnbestände wurde und wird durch die mietrechtliche Auffassung von Nachhaltigkeit in eine Richtung gesteuert, die weder im politischen noch im gesellschaftlichen Kontext als nachhaltig bezeichnet würde. Die Folgen dieser Situation treffen insbesondere die jungen Menschen, die mit ihrem zumeist geringeren Einkommen weder die hohen und weiterhin steigenden Mietpreise noch die blitzartig gestiegenen und weiterhin steigenden Energiekosten infolge des Russisch-Ukrainischen Krieges bezahlen können. Zudem werden auch die ausgebliebenen ökologischen Erfolge der vergangenen Bestandinvestitionen vor allem ihre Generation treffen.
Wissenschaftlerin an der Forschungsstelle für Immobilienrecht, Universität Bielefeld
Studentische Hilfskraft
Studentische Hilfskraft
Dieses Seminar will den Studierenden die Gelegenheit geben, aus der geschilderten unterprivilegierten Situation herauszutreten. Es öffnet einen Transformationsraum, in dem die Studierenden als gleichberechtigte Partner*innen der Lehrenden sowohl die Ursachen als auch die Auswirkungen der beispielhaft beschriebenen und weiteren unterschiedlicheren Auffassungen von Nachhaltigkeit in Mietrecht, Politik und Alltagswelt untersuchen. Sie erhalten die Möglichkeit das Rechtssystem am Beispiel der nachhaltigen Entwicklung von Mietwohnbeständen zu hinterfragen und die Selbstverständlichkeit der mietrechtlichen Entwicklungen und Rechtsprechungen kritisch zu reflektieren. Ziel ist es, eine selbstbewusste Position sowohl zu Nachhaltigkeit als auch zum System zu entwickeln. Um die dafür notwendige Chancengleichheit und Dehierarchisierung zu gewährleisten, wird das Vorhaben als Projektseminar nach einer Impuls gebenden Auftaktveranstaltung teilhabefördernd, partizipativ organisiert.
Der Einstieg in das Seminar fand in Form einer Einführungsstunde mit interessierten Studierenden statt. So konnten offene Fragen geklärt werden, aber auch erste Impulse rund um Nachhaltigkeit, Politik, soziale und wirtschaftliche Aspekte gesetzt werden. Dabei konnten sich die Teilnehmenden schon erste Gedanken zur Wahl ihrer Projektthemen machen.
Nach einigen Wochen fanden sich die Studierenden wieder zusammen, um im Rahmen eines Peer-To-Peer-Feedbacks erste Fortschritte vorzustellen.
Um einen weiterführenden Einblick auch in internationale Projekte rund um Miete und Sozialverträglichkeit zu bekommen, hatten wir als Organisator*innen die Möglichkeit, das International Social Housing Festival 2023 (ISHF) in Barcelona zu besuchen. Insbesondere staatliche Möglichkeiten zur Unterstützung privater Wohnungseigentümer*innen zur Verbesserung des Wohngebäudebestands konnten wir auch den Studierenden bei der folgenden Seminarzusammenkunft vorstellen.
Zusätzlich hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, am Deutschen Anwaltstags 2023 in Wiesbaden teilzunehmen. Dort hat unter anderem eine Vortragsreihe zu rechtlichen Herausforderungen bei Klimaschutz und energiepolitischen „Zielen“ in verschiedenen Rechtsgebieten stattgefunden.
Das Finale des Seminars fand über zwei Tage in einem externen Schulungszentrum in Bielefeld statt. Neben der Vermittlung von allgemeinwissenschaftlichen aber auch juristischen Zitiertechniken wurden auch Impulse zur Bedeutung von Rendite und Eigentum in der Wohnungswirtschaft gegeben.
Zum Ende des Transformationsseminars stellten die Studierenden einzeln oder in Kleingruppen ihre Ergebnisse vor. Die selbst gewählten Themen reichten von Gentrifizierung über soziale Gerechtigkeit bis hin zum Gebäudeenergiegesetz und dessen Einordnung.
Ich konnte im Seminar das Mietrechtssystem vor dem Hintergrund der nachhaltigen Entwicklung von Mitwohnbeständen kennenlernen und hinterfragen. Im Seminar ist mir bewusst geworden, welche Probleme im Mietmarkt allgemein existieren und wie diese durch aktuelle Entwicklungen (Energieknappheit, Energiepreise) und die Maßnahmen zum Kilmaschutz verschärft werden (können).
Ich konnte erkennen, wie das Rechtssystem auf der einen Seite Anreize für eine Transformation schafft und auf der anderen Seite Benachteiligungen verringern will. Aus den drei Perspektiven der Nachhaltigkeit (Ökologie – Ökonomie – Soziales) betrachtet, ist mir aufgefallen, dass nie alle Perspektiven gleichwertig berücksichtigt werden, sodass man nicht von vollends nachhaltigen Regelungen sprechen kann. Mit diesen Erkenntnissen konnte ich eine eigene Position zu den Vorschriften entwickeln. In Diskussionsrunden konnte ich diese mit anderen Seminarteilnehmer*innen abgleichen und ausdifferenzieren.
Meine erste Einschätzung, wonach die wirtschaftliche Perspektive eindeutig dominiert, habe ich am Ende des Seminars nur noch eingeschränkt vertreten.
Insgesamt glaube ich, dass sich zufriedenstellende Regelungen nur dann finden lassen, wenn man mit einem ganz offenen Ansatz auf die Probleme des Mietmarktes zugeht. Ich denke, dass es für Seminarteilnehmer*innen noch viel zu tun gibt.
Für uns war es insgesamt ein sehr lehrreiches und interessantes Semester, in dem wir bei einem Seminar mitwirken konnten, das – wie es oft nicht im Jurastudium vorkommt – den gesellschaftlichen Strukturwandel („Just Transition“) im Recht behandeln sollte. Dabei wurde nicht nur den Studierenden ein weiter Gestaltungsspielraum gewährt, auch wir als (Mit-)Organisatoren waren relativ frei in der Projektgestaltung und haben gleichberechtig an der Planung partizipiert.
Das Seminar hat sich dadurch ausgezeichnet, dass gerade kein Frontalunterricht stattgefunden hat, sondern primär auf die aktive Mitarbeit der Studierenden gebaut wurde. Insbesondere waren der Themenwahl der Studierenden im Prinzip, wie eingangs erwähnt, keine Grenzen gesetzt. Diese Freiheit bewirkte zum einen eine gewisse Variation in den Lösungsansätzen und den daraus resultierenden Ergebnissen, allerdings wäre es hier wohl sinnvoll gewesen, Themen der Studierenden insoweit einzugrenzen, als dass etwa nur bestimmte Säulen der Nachhaltigkeit oder nur bestimmte Aspekte des Mietrechts dem Transformations-Diskurs unterworfen werden. Eine deutliche Themeneingrenzung würde zudem einen Austausch mit gruppenübergreifender Expertise ermöglichen. So könnte – über die grundlegende Vorstellung vieler Themen hinausgehend – die gemeinsame, konzentrierte Suche nach konkreten Transformationsansätzen stattfinden.
Im Rahmen der finalen Vorstellung der Projekte im Haus Neuland sollten sich die Studierenden zur Anregung der Debatte einer politischen Partei oder ähnlichen Interessensgemeinschaft zuordnen. Dies könnte der eigenen, ergebnisoffenen und der Meinungsfindung, die oftmals wohl auch ein Kompromiss zwischen verschiedenen Interessen darstellt, entgegenstehen. Die Zuordnung ergibt jedoch sicher Sinn, sofern diese klar von den Seminararbeiten der Studierenden getrennt wird, etwa in einer Podiumsdiskussion.
Die detaillierte Konzeption kann jedoch dahinstehen – in jedem Fall sollten Nachhaltigkeit und Veränderungsoptionen eine größere Rolle in der juristischen Ausbildung einnehmen, da diese Themen oftmals außen vor gelassen werden, aber dennoch von immer größerer Bedeutung in den Berufsfeldern von Jurist:innen werden.
Das Öffnen von Transformationsräumen in der Hochschullehre hat sich als gute Methode gezeigt, Studierenden die Möglichkeit zu geben, unterschiedliche und auch die eigene Antizipation dessen, was eine nachhaltige Entwicklung ist oder wäre, zu hinterfragen und ein eigenes Wertesystem zu entwickeln. Die Studierenden haben Gestaltungsräume zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung erkannt, sie kollaborativ durchleuchtet und Ideen und Konzepte entwickelt.
Dank der Bielefelder lernzielorientierten Evaluation können wir nicht nur sagen, dass wir mit diesem Format wichtige bis sehr wichtige Lernziele angesprochen haben. Wir wissen auch, dass die Lernziele gut erreicht wurden und wodurch.
Sollte ich noch einmal einen Transformationsraum in der Hochschullehre öffnen können, würde ich der Evaluation zufolge noch mehr Raum für den Austausch und das gemeinsame Erschließen der Zusammenhänge einplanen. Entsprechend würde ich den Einstieg in die sehr komplexen Zusammenhänge zwar weiterhin offen aber inhaltlich reduzierter gestalten. Ebenfalls zugunsten der kollaborativen Zusammenarbeit würde ich noch weiter an der Dehierarchisierung des Lehr- Lernkontextes bei gleichzeitig klarerer Strukturierung des Seminars arbeiten. Denn die Studierenden brauchen in dem (noch) ungewohnten Transformationsraum Orientierung und gleichzeitig die Sicherheit sich in einer Lehrveranstaltung öffnen zu können, um über Gedanken, Positionen, Gefühle und Ideen und nicht über Fakten zu diskutieren.
Es wäre wünschenswert, dass in der Hochschullehre mehr Raum für die Entwicklung von Kompetenzen gegeben wird, welche die Studierenden für die Herausforderungen der Zukunft brauchen. Das disziplinäre Wissen kann für die notwendige Transformation die Grundlage sein. Doch erfordert die Transformation ebenso neue Kompetenzen für neue Formen des Kollaborierens. Es wird für jeden Schritt in Richtung Nachhaltigkeit erforderlich sein, neben den eigenen auch die Denkweisen und Narrative anderer, unterschiedlicher Gruppen mit ihren unterschiedlichen Interessen und Logiken verstehen zu können, um sie in einem nächsten Schritt dekonstruieren und zu neuen Möglichkeiten zusammensetzen zu können. Mit dem Ziel Studierende auf diese Herausforderungen vorzubereiten, sollten disziplinäre, interdisziplinäre und auch transdisziplinäre Transformationsräume in jedem Studiengang Platz finden.