Am 15. und 16. Juni 2023 fand unter der Leitung von Prof. Lindemann und Prof. Torsten Verrel (Universität Bonn) am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld eine Arbeitsgemeinschaft zum Thema "Lebensende und Lebensbeendigung im Strafvollzug" statt.
Ca. 60 Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen mit Bezügen zur Theorie und Praxis des Strafvollzuges diskutierten brisante Fragen rund um das Sterben und Sterbenlassen in Haft. Die Ergebnisse der Tagung sollen im Nachgang publiziert werden.
Der Strafvollzug ist ein Spiegel der Gesellschaft – gesellschaftliche Entwicklungen machen in der Regel auch vor dem Mauern der Justizvollzugsanstalten nicht halt. Bisweilen gewinnen Fragestellungen, welche die Gesellschaft beschäftigen, unter den Bedingungen der „totalen Institution“ Strafvollzug sogar eine besondere Dringlichkeit.
Dies gilt unzweifelhaft für den demographischen Wandel unserer Gesellschaft, der zur Folge hat, dass sich auch Justizvollzugsanstalten zunehmend mit älteren Gefangenen konfrontiert sehen, die ihr Lebensende im Vollzug verbringen. Auf die besonderen Bedürfnisse dieser Gefangenengruppe ist der Strafvollzug nicht ohne Weiteres vorbereitet.
Darüber hinaus wird die besondere Akzentuierung, welche das Recht auf selbstbestimmtes Sterben in der jüngeren Vergangenheit durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung erfahren hat, auch von Strafgefangenen wahrgenommen und in Forderungen nach der Ermöglichung etwa eines Sterbefastens oder gar der Inanspruchnahme von Beihilfe zum Suizid umgesetzt. Diese Entwicklung trifft auf ein Vollzugssystem, das seinen Auftrag bislang ausschließlich in der Abwendung selbstschädigenden Verhaltens Gefangener durch psychologische Intervention und physische Sicherung gesehen hat.
Die disziplinübergreifende Diskussion der von diesen Entwicklungen ausgehenden Herausforderungen für das Vollzugssystem und möglicher Lösungsansätze soll Gegenstand der Arbeitsgemeinschaft sein.