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Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

© Uni­ver­si­tät Bie­le­feld

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung - Ab­lauf & In­halt

All­ge­mei­ne In­for­ma­tio­nen zur Haupt­ver­hand­lung

Die Haupt­ver­hand­lung bil­det das Kern­stück des Straf­ver­fah­rens. Sie soll eine ab­schlie­ßen­de Klä­rung der Schuld-​ und Straf­fra­ge her­bei­füh­ren. Ent­schie­den wird, ob sich je­mand straf­bar ge­macht hat, aber auch, wel­che Stra­fe der Schuld an­ge­mes­sen ist. Der kon­kre­te Ter­min für die Haupt­ver­hand­lung wird vom Ge­richt fest­ge­setzt. Als Zeu­gin/Zeuge er­hal­ten Sie In­for­ma­tio­nen über den Ter­min und die Adres­se des zu­stän­di­gen Ge­richts in der La­dung, wel­che Sie per Post er­reicht (s. auch Zeu­gen­aus­sa­ge vor Ge­richt). Die Haupt­ver­hand­lung kann sich in um­fang­rei­che­ren oder kom­pli­zier­te­ren Ver­fah­ren über meh­re­re Ter­mi­ne er­stre­cken, daher lässt sich die Dauer einer Haupt­ver­hand­lung nicht im Vor­hin­ein be­stim­men. Sie hängt viel­mehr von der ver­han­del­ten Sache und auch der Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie ab. Üb­li­cher­wei­se er­folgt die Ver­hand­lung vor dem Amts­ge­richt, wenn es sich um klei­ne­re Straf­ta­ten han­delt, und vor dem Land­ge­richt, wenn grö­ße­re Straf­ta­ten ver­han­delt wer­den.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Eine Haupt­ver­hand­lung folgt - an­ders als Ver­neh­mun­gen im Er­mitt­lungs­ver­fah­ren - einem fes­ten Ab­lauf, der in der Straf­pro­zess­ord­nung im Ein­zel­nen fest­ge­legt ist. Ob­wohl jede Haupt­ver­hand­lung ihre ei­ge­nen Ak­zen­te setzt, mal län­ger und mal kür­zer dau­ern kann, und auch ein­mal über Ver­stän­di­gun­gen oder Ein­stel­lun­gen schnell ein Ende fin­den kön­nen, ver­läuft eine Haupt­ver­hand­lung klas­si­scher­wei­se wie folgt (die Ein­zel­hei­ten fol­gen so­gleich):

  1. Auf­ruf der Sache und Fest­stel­lung der An­we­sen­heit aller Be­tei­lig­ter
  2. Be­leh­rung von Zeu­gen und Sach­ver­stän­di­gen
  3. Ver­neh­mung des An­ge­klag­ten zu sei­nen Per­so­na­li­en
  4. Ver­le­sung der An­kla­ge­schrift und Mit­tei­lung über Ver­stän­di­gung
  5. Be­leh­rung und (ggf.) Ver­neh­mung des An­ge­klag­ten
  6. Be­weis­auf­nah­me (ins­be­son­de­re Zeugenvernehmungen9
  7. Schluss der Be­weis­auf­nah­me und Ab­schluss­plä­doy­ers
  8. (Ggf.) Letz­tes Wort des An­ge­klag­ten
  9. Be­ra­tung über und Ver­kün­dung des Ur­teils

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Die Haupt­ver­hand­lung be­ginnt damit, dass die „Sache“ (damit ist die Rechts­an­ge­le­gen­heit ge­meint, die ver­han­delt wer­den soll) auf­ge­ru­fen wird. In dem Auf­ruf wer­den die Be­tei­lig­ten, die üb­li­cher­wei­se vor dem Saal war­ten und nur sel­ten schon im Saal sind (v.a. Ge­richt und Staats­an­walt­schaft), ge­be­ten, den Sit­zungs­saal zu be­tre­ten. In ei­ni­gen Ge­rich­ten gibt es se­pa­ra­te Zeu­gen­zim­mer. In dem Fall ist bei Auf­ruf die­ses zu ver­las­sen und der Sit­zungs­saal auf­zu­su­chen, wobei re­gel­mä­ßig Per­so­nen an­we­send sind, die aus­hel­fen. 

Nach Be­tre­ten des Ge­richt­saals wird fest­ge­sellt, ob auch alle Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten (s.o.) an­we­send sind, ins­be­son­de­re ob der An­ge­klag­te er­schie­nen ist und sämt­li­che ge­la­de­nen Zeu­gen an­we­send sind. Als Zeuge sind Sie grund­sätz­lich ver­pflich­tet zu er­schei­nen und aus­zu­sa­gen und Sie haben dabei die Wahr­heit zu sagen. Nicht er­schei­nen dür­fen Sie aus­schließ­lich dann, wenn Sie einen wich­ti­gen Grund vor­wei­sen kön­nen (z.B. schwe­re­re Er­kran­kung) und das Ge­richt Ihnen die Ab­we­sen­heit ge­stat­tet. Zu­meist wird dann ein neuer Ter­min an­be­raumt. In jedem Fall müs­sen Sie Ihre Ab­we­sen­heit recht­zei­tig dem Ge­richt mit­tei­len und haben des­sen Ent­schei­dung ab­zu­war­ten, dür­fen also nicht ein­fach fern­blei­ben.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

In der Pra­xis ist es üb­lich, dass im An­schluss sämt­li­che Zeu­gen und Sach­ver­stän­di­ge ge­mein­sam über ihre Rech­te und Pflich­ten be­lehrt wer­den. Nur in grö­ße­ren Ver­fah­ren wer­den Zeu­gen ein­zeln über das Ver­fah­ren ver­teilt be­lehrt. Zur Be­leh­rung ge­hö­ren (u.a.) fol­gen­de Aspek­te: Das Zeug­nis, also Ihre Aus­sa­ge, dür­fen Sie grund­sätz­lich nicht ver­wei­gern, wes­halb Sie vor Ge­richt aus­sa­gen müs­sen. Nur aus­nahms­wei­se müs­sen Sie nicht aus­sa­gen, wenn Sie mit dem An­ge­klag­ten enger ver­wandt sind (ins­be­son­de­re Ver­löb­nis, Ehe- bzw. Le­bens­part­ner­schaft und Ver­wandt­schaft in ge­ra­der Linie) oder etwa auf­grund Ihres Be­ru­fes (z.B. Seel­sor­ger, Geist­li­che, Straf­ver­tei­di­ger, Ärzte) zur Ge­heim­nis­wah­rung be­rech­tigt sind. Sagen Sie aber trotz Ihres vor­han­de­nen Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­rech­tes aus, was Ihnen frei­steht, so dür­fen Sie trotz­dem nicht die Un­wahr­heit sagen, da es sein kann, dass Sie sich an­dern­falls straf­bar ma­chen. Sie wer­den auch über die Mög­lich­keit eines Eides und die Fol­gen eines Mein­ei­des - so wird eine fal­sche Aus­sa­ge unter Eid ge­nannt - be­lehrt. Im An­schluss an die Be­leh­rung ver­las­sen die Zeu­gen und Sach­ver­stän­di­gen den Saal und die Ver­hand­lung wird zu­nächst ohne sie fort­ge­führt. Das hängt damit zu­sam­men, dass die je­wei­li­ge Aussage-​ bzw. Gut­ach­ten­er­stat­tung nicht von den Aus­sa­gen der an­de­ren Be­tei­lig­ten be­ein­flusst wer­den soll. Etwas an­de­res gilt nur dann, wenn Sie als Ne­ben­klä­ger auf­tre­ten. In dem Fall steht Ihnen auch dann, wenn Sie als Zeuge ver­nom­men wer­den sol­len, ein An­we­sen­heits­recht zu und Sie müs­sen den Saal nicht ver­las­sen.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

So­bald Zeu­gen und Sach­ver­stän­di­ge nicht mehr zu­ge­gen sind, wird der An­ge­klag­te zu sei­ner Per­son ver­nom­men und an­hand der ge­richts­be­kann­ten Per­so­na­li­en seine Iden­ti­tät fest­ge­stellt.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Der Staats­an­walt ver­liest da­nach die An­kla­ge­schrift. In der An­kla­ge­schrift ist der Täter und das ihm zu Last ge­leg­te Ver­hal­ten näher be­schrie­ben sowie zudem an­ge­ge­ben, wegen wel­cher Straf­nor­men die­ses Ver­hal­ten nach An­sicht der Staats­an­walt­schaft straf­bar ist. Der Vor­sit­zen­de - das ist der­je­ni­ge Rich­ter, der im Falle meh­re­rer Rich­ter die Ver­hand­lun­gen lei­tet - teilt so­dann mit, ob es Ge­sprä­che über Ver­stän­di­gun­gen (einen „Deal“) ge­ge­ben hat. Ver­stän­di­gun­gen sind wäh­rend der ge­sam­ten Haupt­ver­hand­lung mög­lich, wenn die Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen. Häu­fig ist der Fall, dass der An­ge­klag­te die Tat ge­steht und im Ge­gen­zug eine Mil­de­rung im Straf­maß er­hält.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Nun­mehr ist der An­ge­klag­te dar­über zu be­leh­ren, dass es ihm frei steht zur Sache aus­zu­sa­gen oder zu schwei­gen. Er kann sich zur Sache ein­las­sen, muss sich aber nicht zum Tat­vor­wurf äu­ßern. Wenn er sich zur Sache ein­lässt, so kann das, was er aus­sagt, in der rich­ter­li­chen Ent­schei­dungs­fin­dung mit­be­rück­sich­tigt wer­den. An­ders als ein Zeuge oder Ver­tei­di­ger kann der An­ge­klag­te in ge­wis­sen Gren­zen zu sei­ner ei­ge­nen Ver­tei­di­gung sank­ti­ons­los lügen, das heißt be­wusst die Un­wahr­heit sagen, ohne dass dies ge­ahn­det wer­den kann. Er hat zwar kein von der Rechts­ord­nung ex­pli­zit zu­ge­si­cher­tes Recht zur Lüge, aber eine Falsch­aus­sa­ge ist für ihn selbst in wei­ten Tei­len nicht straf­be­wehrt.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Den größ­ten Teil der Haupt­ver­hand­lung macht die Be­weis­auf­nah­me aus. 

In der Be­weis­auf­nah­me wer­den sämt­li­che Be­weis­mit­tel, die die Po­li­zei und Staats­an­walt­schaft er­mit­telt hat, nach­ein­an­der in das Ver­fah­ren ein­ge­bracht. Der An­ge­klag­te soll sich nach jeder ein­zel­nen Be­weis­erhe­bung zu die­ser äu­ßern kön­nen. Davon muss er kei­nen Ge­brauch ma­chen. 

Bei den Be­weis­mit­teln kann es sich um Ur­kun­den, Au­gen­schein­ob­jek­te (wie die Tat­waf­fe oder sons­ti­ge ge­si­cher­te Spu­ren), Zeugen-​ oder Sach­ver­stän­di­gen­aus­sa­gen han­deln. Ur­kun­den sind dabei zu ver­le­sen. Mit Blick auf vor­an­ge­gan­ge­ne Ver­neh­mungs­pro­to­kol­le ge­nügt es re­gel­mä­ßig nicht, dass auf sie bloß Bezug ge­nom­men wird oder diese nur ver­le­sen wer­den, son­dern die Be­wei­se müs­sen mög­lichst un­mit­tel­bar zum Ge­gen­stand der Ver­hand­lung ge­macht wer­den, damit die Rich­ter auf die­ser un­ver­mit­tel­ten Grund­la­ge ihre Über­zeu­gung über die Tat bil­den kön­nen. Des­halb müs­sen Sie als Zeuge auch dann (er­neut) aus­sa­gen, wenn Sie nicht mehr und an­de­res aus­sa­gen kön­nen als sie schon in einer frü­he­ren Ver­neh­mung ge­sagt haben, selbst wenn es zur frü­he­ren Ver­neh­mung ein um­fang­rei­ches Pro­to­koll gibt. Das mag Ihnen selt­sam er­schei­nen, ist aber keine Schi­ka­ne, son­dern ge­setz­lich so vor­ge­schrie­ben.

Für die Be­weis­auf­nah­me wer­den Sie er­neut über einen Auf­ruf in den Saal ge­be­ten. Sind Sie (zu­gleich) Ne­ben­klä­ger be­fin­den Sie sich be­reits im Saal und wech­seln nur den Sitz­platz. Üb­li­cher­wei­se sol­len Sie dann Ihre Er­in­ne­rung von der Tat zu­sam­men­hän­gend und mög­lichst voll­stän­dig vor­tra­gen. Wenn Sie sich aber an Ein­zel­hei­ten nicht mehr er­in­nern, dür­fen Sie nichts hin­zu­er­fin­den, son­dern soll­ten sich nicht scheu­en auf Lü­cken in Ihrer Er­in­ne­rung hin­zu­wei­sen. Um­ge­kehrt soll­ten Sie keine Ein­zel­hei­ten aus­las­sen. Es ist dabei ver­ständ­lich und allen Be­tei­lig­ten be­kannt, dass die Er­in­ne­rung nach län­ge­rer Zeit ver­blasst - nie­mand wird Ihnen das zum Vor­wurf ma­chen. In ei­ni­gen Fäl­len kann es sein, dass für Ihre Aus­sa­ge ein Glaub­haf­tig­keits­gut­ach­ten ein­ge­holt wird und ein Gut­ach­ter (je nach Kon­stel­la­ti­on ein Psych­ia­ter oder ein Psy­cho­lo­ge) Ihre Aus­sa­ge da­hin­ge­hend be­ur­teilt, ob sie aller Vor­aus­sicht nach auf tat­säch­lich Er­leb­tem ba­siert. Das hängt nicht damit zu­sam­men, dass man Sie der Lüge be­zich­tigt, son­dern ist in ei­ni­gen be­weis­recht­lich schwie­ri­gen Kon­stel­la­tio­nen üb­li­che Ver­fah­rens­pra­xis, mit der die Be­weis­zu­ver­läs­sig­keit ver­fah­rens­mä­ßig ab­ge­si­chert wer­den soll. Ein Gut­ach­ten kann etwa dann an­ge­ord­net wer­den, wenn Sie psy­chisch er­krankt sind, wenn es im Pro­zess Aus­sa­ge gegen Aus­sa­ge steht und keine wei­te­ren Be­weis­mit­tel zur Ver­fü­gung ste­hen, oder aber die kon­kre­te Aus­sa­ge ver­wor­ren, wi­der­sprüch­lich oder in sons­ti­ger Weise ge­stei­gert feh­ler­an­fäl­lig er­scheint. Mehr zur Glaub­haf­tig­keits­be­gut­ach­tung er­fah­ren Sie hier.

Die an­de­ren Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten (die Rich­ter, der Staats­an­walt, der ggf. vor­han­de­ne Ver­tei­di­ger, aber auch der An­ge­klag­te selbst) dür­fen Ihnen zu Ihrer Aus­sa­ge nach­ein­an­der Fra­gen stel­len und Ihnen auch Vor­hal­tun­gen aus ver­gan­ge­nen Ver­neh­mungs­pro­to­kol­len ma­chen, um Ihre Er­in­ne­rung zu stüt­zen oder Wi­der­sprü­che auf­zu­zei­gen. Dabei kann es auch vor­kom­men, dass sehr kri­ti­sche Fra­gen an Sie ge­rich­tet wer­den und Ihre Aus­sa­ge stark in Zwei­fel ge­zo­gen wird. Dies kann unter Um­stän­den auch eine ziel­ge­rich­te­te Ver­tei­di­gungs­stra­te­gie des An­ge­klag­ten selbst oder der Ver­tei­di­gung dar­stel­len. Die Straf­pro­zess­ord­nung er­laubt kri­ti­sche und auch pro­vo­kan­te Fra­gen, wenn sie nicht in eine un­sach­li­che, auf­rüh­re­ri­sche und be­lei­di­gen­de Rich­tung füh­ren, auf­grund derer sie kei­nen Sach­bei­trag zur Ent­schei­dungs­fin­dung mehr zu leis­ten ver­mö­gen. Haben Sie Zwei­fel daran, ob sich ein Ver­fah­rens­be­tei­lig­ter noch im Rah­men sei­ner Rech­te be­wegt, kön­nen Sie dies offen an­spre­chen. Das Ge­richt, das auch zu Ihrem Schutz ver­pflich­tet ist, wird sich dann dazu äu­ßern. In vie­len Fäl­len wird das Ge­richt be­reits von sich aus aktiv wer­den, wenn ein Ver­hal­ten zu weit geht.

Sind Sie mit Ihrer Aus­sa­ge fer­tig und ist - was in län­ge­ren Ver­fah­ren manch­mal vor­kom­men kann - nicht ge­plant, dass Sie er­neut aus­sa­gen sol­len, so wer­den Sie als Zeuge ent­las­sen und kön­nen dem wei­te­ren Ver­fah­ren als Be­su­cher im Be­su­cher­be­reich bei­woh­nen, wenn Sie das möch­ten.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Sind alle Be­wei­se er­ho­ben schlie­ßen an die Be­weis­auf­nah­me die Ab­schluss­plä­doy­ers an. In ihnen kann der Staats­an­walt, ein et­wai­ger Ne­ben­kla­ge­ver­tre­ter sowie ein et­wai­ger Ver­tei­di­ger seine Sicht des Sach­ver­halts, der Be­weis­auf­nah­me und der Rechts­la­ge noch ein­mal schil­dern sowie sich schließ­lich für eine Ver­ur­tei­lung mit einem be­stimm­ten Straf­maß bzw. einen Frei­spruch aus­spre­chen. Dabei kön­nen die Plä­doy­ers der Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten sich an­nä­hernd de­cken, oder aber - wie re­gel­mä­ßig - aus­ein­an­der­fal­len.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Bevor sich das Ge­richt zur Be­ra­tung zu­rück­zieht, ist dem An­ge­klag­ten noch­mals aus­drück­lich die Ge­le­gen­heit zu geben, sich zu äu­ßern. Wie im ge­sam­ten Pro­zess muss er dies je­doch nicht tun, son­dern darf auch schwei­gen.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

An­schlie­ßend zie­hen sich die Rich­ter zur Be­ra­tung über die Straf­bar­keit und ggf. das Straf­maß zu­rück, indem sie den Sit­zungs­saal ver­las­sen und in einen an­de­ren Raum gehen. Die Be­ra­tung fin­det dabei ge­heim statt und die Ent­schei­dung der ein­zel­nen Rich­ter für oder gegen eine Be­stra­fung bleibt selbst nach der Ur­teils­ver­kün­dung ge­heim. Das ist das so­ge­nann­te Be­ra­tungs­ge­heim­nis. Die Rich­ter ent­schei­den nicht ein­stim­mig, son­dern nach Stim­men­mehr­heit, wobei Schöf­fen grund­sätz­lich glei­ches Stimm­ge­wicht wie Be­rufs­rich­ter haben. Je nach­dem, wie kon­tro­vers der zu­grun­de lie­gen­de Fall unter den Rich­tern dis­ku­tiert wird, kann die Be­ra­tung ei­ni­ge Zeit lang dau­ern.

Im An­schluss keh­ren die Rich­ter zu­rück in den Sit­zungs­saal und ver­kün­den das Ur­teil „im Namen des Vol­kes“. Im Ur­teil kön­nen ver­schie­de­ne Sank­tio­nen ver­hängt wer­den. Neben der Frei­heits­stra­fe (Ent­zug der Frei­heit) kann eine Geld­stra­fe (Zah­lung eines be­stimm­ten Geld­be­trags) oder eine Ver­war­nung mit Straf­vor­be­halt (Der Täter wird ver­warnt, muss aber eine Geld­stra­fe zah­len, wenn er er­neut straf­fäl­lig wird) ver­hängt wer­den. Die Frei­heits­stra­fe kann zur Be­wäh­rung aus­ge­setzt sein, also erst für den Fall grei­fen, dass der Täter in­ner­halb eines be­stimm­ten Zeit­rau­mes er­neut straf­fäl­lig wird.

Gegen das Ur­teil sind von­sei­ten der Staats­an­walt­schaft, aber auch des An­ge­klag­ten bzw. des­sen Ver­tei­di­ger be­fris­te­te Rechts­mit­tel (Be­ru­fung und Re­vi­si­on) mög­lich. Da­ne­ben kann der Ne­ben­klä­ger nur gegen ein frei­spre­chen­des Ur­teil Rechts­mit­tel ein­le­gen. Gegen ein Ur­teil des Amts­ge­richts kann Be­ru­fung ein­ge­legt wer­den. Im Rah­men der Be­ru­fung wird das Ver­fah­ren noch ein­mal neu auf­ge­rollt und es fin­det eine er­neu­te Be­weis­erhe­bung und Rich­ter­ent­schei­dung statt. Soll­te es zur Be­ru­fung kom­men, ist es sehr wahr­schein­lich, dass Sie in hö­he­rer In­stanz noch ein­mal aus­sa­gen müs­sen. 

Gegen Ur­tei­le des Land­ge­richts ist da­ge­gen nur die Re­vi­si­on mög­lich. An­ders als bei der Be­ru­fung er­folgt bei der Re­vi­si­on keine Be­weis­erhe­bung mehr, son­dern es er­folgt le­dig­lich eine Kon­trol­le des Ur­teils auf Rechts­feh­ler. In die­sem Fall müs­sen Sie nur dann er­neut aus­sa­gen, wenn das Aus­gangs­ge­richt noch ein­mal zu einer (ord­nungs­ge­mä­ßen) Be­weis­auf­nah­me ver­pflich­tet wird. 

Wer ist in der Haupt­ver­hand­lung an­we­send?

An einer Haupt­ver­hand­lung müs­sen fol­gen­de Ver­fah­rens­be­tei­lig­te teil­neh­men:

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Je nach­dem, wie schwer die in Rede ste­hen­de Tat ist, han­delt es sich dabei um einen Ein­zel­rich­ter/eine Ein­zel­rich­te­rin oder aber um meh­re­re Rich­te­rIn­nen, von denen ei­ni­ge auch Schöf­fen sein kön­nen. Schöf­fen sind nicht ju­ris­tisch vor­ge­bil­de­te Bür­ge­rIn­nen, die ihren bür­ger­li­chen Er­fah­rungs­schatz mit in den Pro­zess ein­brin­gen sol­len. Sie sind nicht mit Ge­schwo­re­nen zu ver­wech­seln, die Sie even­tu­ell aus dem Fern­se­hen ken­nen. An jedem Ver­fah­ren nimmt näm­lich stets min­des­tens ein Rich­ter/eine Rich­te­rin mit Ent­schei­dungs­be­fug­nis teil, der/die das ju­ris­ti­sche Stu­di­um durch­lau­fen hat. 

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Die Staats­an­walt­schaft ver­tritt in der Haupt­ver­hand­lung die An­kla­ge gegen den Täter/die Tä­te­rin. Auch diese muss zwin­gend zu­ge­gen sein, damit diese von ihren viel­fäl­ti­gen Frage-​ und Be­tei­li­gungs­rech­ten ef­fek­tiv Ge­brauch ma­chen und nach­her im Ein­druck des­sen auf eine be­stimm­te rich­ter­li­che Ent­schei­dung bzw. ein be­stimm­tes Straf­maß plä­die­ren kann.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Der An­ge­klag­te/die An­ge­klag­te hat grund­sätz­lich das Recht und sogar die Pflicht an­we­send zu sein. Er/Sie soll sich vor allem zum Tat­vor­wurf und zu dem in der Ver­hand­lung Ge­sag­ten äu­ßern kön­nen. Er/Sie ist aber auch des­halb zur An­we­sen­heit ver­pflich­tet, um dem Ge­richt einen mög­lichst un­ver­mit­tel­ten Ein­druck vom Täter/von der Tä­te­rin zu ver­schaf­fen. Es exis­tie­ren al­ler­dings ei­ni­ge Durch­bre­chun­gen die­ses Grund­sat­zes, die vor allem dem Schutz ge­fähr­de­ter Zeu­gIn­nen die­nen.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Ein Ver­tei­di­ger, der den An­ge­klag­ten/die An­ge­klag­te recht­lich berät und in­ner­halb und au­ßer­halb der Ver­hand­lung ver­tritt, muss immer dann an­we­send sein, wenn die Ver­hand­lung nicht vor dem Amts­ge­richt, son­dern einem hö­he­ren Ge­richt (Land­ge­richt, Ober­lan­des­ge­richt, Bun­des­ge­richts­hof) statt­fin­det. Die ma­xi­ma­le An­zahl an Straf­ver­tei­di­ge­rIn­nen be­trägt nach der Straf­pro­zess­ord­nung 3.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Gibt es für die Tat Zeu­gIn­nen oder ist die Ex­per­ti­se von be­son­ders sach­kun­di­gen Per­so­nen er­for­der­lich, so wer­den Zeu­gen zwecks Aus­sa­ge bzw. Sach­ver­stän­di­ge zwecks Gut­ach­ten­er­stat­tung ge­la­den. Sind Sie in ei­ge­ner Per­son von der Tat be­trof­fen, wer­den Sie re­gel­mä­ßig als Zeu­gIn ge­la­den wer­den.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Als Ver­letz­ter kön­nen Sie sich der An­kla­ge als sog. Ne­ben­klä­ger an­schlie­ßen, so­dass Sie eine von der Zeu­gen­stel­lung ver­selb­stän­dig­te pro­zes­sua­le Rolle neben die­ser ein­neh­men, die Ihnen zu­sätz­li­che Rech­te im Ver­fah­ren ver­schafft. Mehr In­for­ma­tio­nen er­hal­ten Sie hier. Der Ne­ben­klä­ger kann zudem einen Rechts­bei­stand haben.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Zur Re­du­zie­rung der Be­las­tun­gen im Straf­ver­fah­ren kön­nen Sie vor, wäh­rend und nach dem Ver­fah­ren von einer psy­cho­so­zia­len Pro­zess­be­glei­tung be­ra­ten, be­treut und un­ter­stützt wer­den. Mehr In­for­ma­tio­nen hier­zu fin­den Sie hier.

Die straf­recht­li­che Haupt­ver­hand­lung

Ein Ver­tre­ter/Eine Ver­tre­te­rin der Ju­gend­ge­richts­hil­fe ist an­we­send, wenn das Ver­fah­ren gegen einen Ju­gend­li­chen (14-17 Jahre) oder Her­an­wach­sen­den (18-20 Jahre) er­folgt.

Da­ne­ben kön­nen Per­so­nen an­we­send sein, die nicht in einem en­ge­ren Sinne am Ver­fah­ren be­tei­ligt sind. Re­gel­mä­ßig ist etwa ein Ur­kunds­be­am­ter der Ge­schäfts­stel­le an­we­send, der ei­ni­ge Eck­punk­te der Ver­hand­lung in einem Pro­to­koll förm­lich fest­hält. Wei­ter kön­nen Sie etwa be­an­tra­gen, dass das Ge­richt einer Per­son Ihres Ver­trau­ens (z.B. einem An­ge­hö­ri­gen) die An­we­sen­heit in der Ver­hand­lung ab­seits des Be­su­cher­rau­mes ge­stat­tet.

Wich­tig zu be­ach­ten ist, dass in­ner­halb von Haupt­ver­hand­lun­gen im Er­wach­se­nen­straf­recht in der Regel Be­su­cher zu­ge­las­sen sind. Nur in Aus­nah­me­fäl­len kann die Öf­fent­lich­keit auf An­trag aus­ge­schlos­sen wer­den. 

Ge­le­gent­lich kann es dar­über hin­aus vor­kom­men, dass ein Dol­met­scher oder Ge­bär­den­spra­chen­dol­met­scher zu­ge­gen ist, wenn ein Ver­fah­rens­be­tei­lig­ter der deut­schen oder ge­spro­che­nen Spra­che nicht mäch­tig ist.

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