Die Schizophrenie ist die häufigste Form von Psychosen. „Psychose“ wird oft als Überbegriff für verschiedene Diagnosen benutzt, bei denen psychotische Symptome, vor allem Wahn und/oder Sinnestäuschungen auftreten. Ein bis zwei von 100 Menschen erkranken einmal im Leben an einer Psychose. Oft tritt eine erste psychotische Episode im späten Jugend- bzw. frühen Erwachsenenalter auf, der Beginn kann aber auch später liegen.
Das Wort Schizophrenie oder „schizophren“ wird umgangssprachlich häufig für sehr widersprüchliches Denken oder Handeln verwendet. Oft wird auch fälschlicherweise von Schizophrenie als „gespaltene Persönlichkeit“ gesprochen. Tatsächlich verbirgt sich jedoch hinter der Erkrankung Schizophrenie nicht, dass Betroffene mehrere Persönlichkeiten haben oder sich sehr widersprüchlich verhalten.
Bei Psychosen treten zeitweise Symptome in den Bereichen Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Denken, Fühlen und Handeln auf. Man unterscheidet die so genannten „Plus“-Symptome von den so genannten „Minus“-Symptomen, beide treten bei Psychosen in unterschiedlicher Gewichtung auf.
Bei Plus-Symptomen kommt zum bisherigen Erleben der Umwelt etwas „hinzu“, beispielsweise Sinnestäuschungen (Halluzinationen) wie Stimmenhören oder Geruchs-, Körper- oder optische Sinnestäuschungen. Auch Wahnerlebnisse, Bedrohungsgefühle, das Gefühl, dass andere die eigenen Gedanken lesen können oder das Gefühl fremd beeinflusst zu werden sind Plus-Symptome. Diese beruhen auf einer Fehlwahrnehmung bzw. Fehlinterpretation der Umwelt. Betroffene haben dann in akuten Phasen Schwierigkeiten, die eigene Wahrnehmung mit der Wirklichkeit abzugleichen und dazwischen zu unterscheiden. Oft kommt es dazu, dass Betroffene Dinge sehen, hören, riechen oder schmecken, die andere Menschen so nicht wahrnehmen, weil die Wahrnehmungen ohne entsprechende Außenreize entstehen. Das Erleben dieser Symptome führt oft zu großer Angst und Misstrauen gegenüber anderen Menschen – manchmal auch gegenüber nahestehenden Personen. Die Symptome entwickeln sich dabei meistens schleichend.
Unter einer Wahnvorstellung versteht man eine starke Überzeugung über Dinge oder Zusammenhänge, die höchstwahrscheinlich nicht auf Tatsachen beruht, an der aber starr festgehalten wird. Diese Überzeugungen werden nicht mehr in Frage gestellt oder überprüft. Zum Beispiel können sich Menschen verfolgt oder beobachtet und bedroht fühlen oder der Überzeugung sein, schwer krank zu sein. In einem weniger belastenden und starren Ausmaß kennen viele Menschen solche Befürchtungen und Gedanken. Der Unterschied zu einer Psychose liegt also häufig nicht im Inhalt der Angst selbst, sondern im Ausmaß der Beschäftigung damit und der empfundenen Belastung. Menschen, bei denen eine Psychose diagnostiziert wird, können oft an nichts Anderes mehr denken als die Wahnüberzeugungen und richten ihr Leben danach aus. Die genauen Inhalte der Wahnvorstellungen und Ängste können sehr unterschiedlich sein und oft mit der Lebensgeschichte zusammenhängen. Beispielsweise wird es einer sehr religiösen Person eventuell naheliegen, religiöse Wahninhalte zu entwickeln. Dabei kann es für Außenstehende manchmal offensichtlich erscheinen, dass die Überzeugungen nicht mit der Realität übereinstimmen, jedoch ist es nicht immer einfach dies zu unterscheiden.
Zudem ist grundsätzlich Vorsicht geboten: Außenstehende dürfen keinesfalls vorschnell davon ausgehen, dass das Berichtete nicht stimmt. Es ist auch möglich, dass jemand wahnhafte Überzeugungen hat (oder in der Vergangenheit hatte), dass aber eine bestimmte wahrgenommene Bedrohung trotzdem real ist. Es ist eine besondere Herausforderung, die Situation von außen angemessen einzuschätzen. Auf jeden Fall ist es wichtig, die Anliegen und ggf. Ängste der Betroffenen ernst zu nehmen.
Wenn die Plus-Symptome nach einer Zeit oder durch Behandlung abgeklungen sind, folgen oft „Minus-Symptome“, sprich, es verringert sich etwas, das vorher da war. Diese sind weniger bekannt, aber für Betroffene oft besonders belastend. Das kann zum Beispiel ein Gefühl innerer Leere, verminderte Fähigkeit zum Empfinden von Gefühlen, Antriebs- und Kraftlosigkeit sowie Verlust von Interessen und Freude sein. Oft fühlen sich Betroffene „motivationslos“ und können sich zu nichts aufraffen. Wenn Minus-Symptome nicht als solche erkannt werden, hören Betroffene von anderen oft, sie seien nur „faul“ oder müssten sich nur mehr Mühe geben.
Außerdem können als weitere Symptome Störungen beim Sprechen, in der Bewegung und in den Bereichen Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnis auftreten, die für die Betroffenen ebenfalls sehr belastend sind und die Lebensqualität für diese Zeit einschränken können. Zum Beispiel: „Manchmal kann ich einen Gedanken nicht zu Ende denken.“ oder „Manchmal springe ich von einem Thema zum nächsten“.
Insgesamt kann der Verlauf einer Psychose sehr unterschiedlich sein. Man muss den Verlauf der Erkrankung über die Lebensspanne dabei vom Verlauf innerhalb einer Krankheitsepisode unterscheiden.
Innerhalb einer psychotischen Phase gibt es ebenfalls einen typischen Verlauf, auch wenn dieser natürlich niemals für alle Betroffenen gleichermaßen gilt. Häufig beginnt eine psychotische Episode mit leichten Symptomen wie Nervosität, unbestimmten Ängsten oder Schlafstörungen. Innerhalb eines Zeitraums, der von einigen Tagen bis hin zu einigen Monaten dauern kann, steigern sich die Beschwerden über Misstrauen, steigender Anspannung bis hin zu Verfolgungsideen und stark ausgeprägten Plus-Symptomen. Nach der Phase von akuten Plus-Symptomen können Minus-Symptome wie Erschöpfung, Unsicherheit, Lustlosigkeit und Konzentrationsprobleme auftreten. Diese halten zum Teil über Wochen und Monate an und belasten damit Betroffene stark. Nach dieser Erschöpfungsphase können Betroffene wieder in ein „normales“ Befinden zurückkehren und als genesen gelten.
Die Behandlung von Psychosen besteht meistens aus verschiedenen Bausteinen, die sich insbesondere in Kombination als hilfreich erwiesen haben. Dazu gehören Psychotherapie, psychosoziale Maßnahmen und medikamentöse Behandlung. So genannte antipsychotischen Medikamente können dabei helfen, akute Plus-Symptomatik und Reizempfindlichkeit zu reduzieren. Je nach Bedarf können auch andere Medikamente zum Einsatz kommen, beispielsweise kurzfristig angstlösende Medikamente in akuten Krisen oder antidepressive Medikamente bei anhaltenden depressiven Symptomen. Die Medikamente können unangenehme Nebenwirkungen verursachen, zum Beispiel eine Gewichtszunahme oder Störungen im Bewegungsablauf und in der Motorik. Eine vertrauensvolle Beziehung zu den behandelnden Ärztinnen/Ärzten bzw. Psychotherapeut*innen ist entscheidend, um die richtigen Maßnahmen immer wieder auf die aktuelle Situation der Betroffenen anzupassen.
Psychotherapien und psychosoziale Interventionen helfen Betroffenen zum Beispiel dabei, mit belastenden Lebenssituationen umzugehen, erste Anzeichen einer akuten psychotischen Phase zu erkennen und dementsprechend zu handeln. Auf Basis des aktuellen Forschungsstands werden u. a. Aufklärung über die Erkrankung für Betroffene und Angehörige, kognitive Verhaltenstherapie, das metakognitive Training sowie Familientherapie empfohlen (DGPPN: S-3-Leitlinie Schizophrenie). Darüber hinaus können weitere Therapiemaßnahmen wie zum Beispiel Ergotherapie, künstlerische Therapien und Körpertherapien angewendet werden. Die Einbindung von Angehörigen hat sich als sehr hilfreich erwiesen.
Beim Umgang mit Personen, die akute Plus-Symptome zeigen, ist es wichtig, daran zu denken, dass Betroffene oft Angst haben und unter großem inneren Druck stehen, verbunden mit der Sorge, anderen nicht vertrauen zu können. Wenn man bedenkt, dass die Ängste sich oft um existenziell bedrohliche Themen drehen, ist diese Reaktion auch nachvollziehbar, wenn auch aus Außensicht übertrieben.
Also:
Stephan, 21 Jahre
Mit 18 Jahre bestand Stephan sein Abitur. Er wollte danach eigentlich studieren, bekam aber zunächst nicht den Studienplatz, den er sich gewünscht hatte. Er machte sich viele Sorgen um seine Zukunft und nahm zunächst mehrere Nebenjobs auf einmal an. Um abschalten zu können, war er „viel unterwegs und feiern“. In dieser Zeit trank er vermehrt Alkohol und konsumierte Cannabis. Das war unter seinen Freunden ganz normal.
Irgendwann bemerkte Stephan, dass er weniger schlief als sonst. Zwischen dem ganzen Stress war er total „aufgedreht“. Er zog sich zu Hause auf sein Zimmer zurück und sprach weniger mit den Eltern. Seine Mutter war zwar besorgt, beruhigte sich aber damit, dass ein solches Verhalten im Rahmen des Schulabschlusses und der „neuen Zeit“ vorkommen könnte. Vom Cannabiskonsum bekamen die Eltern nichts mit.
Kurz vor der Abreise zum gemeinsamen Urlaub mit Freunden besuchte Stephan ein Festival. Er feierte dort viel und nahm Alkohol und Cannabis zu sich. Stephan fühlte sich dann auf dem Weg in den Urlaub erstmals von anderen Menschen beobachtet. Er hatte das Gefühl, dass „irgendwas nicht stimmen“ würde. Alle hätten ihn „komisch“ angeschaut. Dies machte ihm viel Angst. Die Ängste wurden mehr als er das Gefühl verspürte „irgendjemand ist hinter mir her“ und andere Menschen könnten vielleicht „meine Gedanken lesen“. Er zog sich daraufhin noch mehr zurück und traute sich kaum mehr mit den anderen nach draußen.
Als seine Freunde merkten, dass sich Stephan anders verhielt, fragten sie ihn, ob etwas nicht stimmen würde. Er erzählte ihnen von seinen Ängsten und dem Gefühl, in Gefahr zu sein.
Kurz danach fuhren sie wieder nach Deutschland, um Unterstützung zu bekommen. Gemeinsam mit seiner Mutter stellte sich Stephan auf Anraten seines Hausarztes in der Psychiatrischen Institutsambulanz eines psychiatrischen Krankenhauses vor.
Stephan lernte im Rahmen einer freiwilligen stationären und folgenden ambulanten Behandlung, was eine Psychose ist und erhielt eine medikamentöse Behandlung und Psychotherapie. Auch seine Eltern wurden über die Erkrankung informiert. Im Zuge der Behandlung berichtete er, die Ängste seien weniger geworden und das Gefühl der Verfolgung und dass andere seine Gedanken lesen könnten sei „verschwunden“. Er habe noch Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und sei ruhiger geworden.
Quellen:
Bauml, J., & Lambert, M. (2009). Psychosen erkennen, verstehen, behandeln. Michelstadt: vdm Verlag.
DGPPN e.V. (Hrsg.) für die Leitliniengruppe: S3-Leitlinie Schizophrenie. Langfassung, 2019, Version 1.0, zuletzt geändert am 15. März 2019, verfügbar unter: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-009.html