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Geschichte der Frauenbewegung im bundesdeutschen Kontext

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Geschichte der Frauenbewegung im bundesdeutschen Kontext

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Frauenbewegungen stehen für einen Kampf von vornehmlich Frauen für eine Gleichstellung der Geschlechter auf sozialer, politischer und wirtschaftlicher Ebene. Sie entstehen in den verschiedensten ethnischen und kulturellen Milieus, wie zum Beispiel bürgerliche und proletarische Bewegungen oder antikoloniale Frauenbewegungen in Afrika und Lateinamerika. Im Folgenden liegt der Fokus auf der Geschichte der deutschen Frauenbewegung, bei der sich bis heute drei Phasen unterscheiden lassen, in denen sich Frauen aktiv für ihre Rechte einsetzten.

Erste Welle: Die erste Phase der Frauenbewegung nahm im 18. Jahrhundert ihren Anfang und war stark von dem Ziel der Französischen Revolution, der Gleichheit aller Menschen und den Ideen der Aufklärung geprägt. Während dieser Phase haben sich zwei unterschiedliche Strömungen entwickelt: die bürgerliche und die proletarische Frauenbewegung. Louise Otto-Peters (1819 – 1895) gilt mit ihrer im Jahr 1843 öffentlich formulierten Forderung: „Die Teilnahme der Frauen an den Interessen des Staates ist nicht ein Recht, sondern eine Pflicht“ als die Gründerin der ersten Welle der bürgerlichen deutschen Frauenbewegung, deren Mitglieder, Töchter und Frauen aus bürgerlichem Hause, sich aktiv für die Partizipation an formalen (Aus-) Bildungszusammenhängen und die Möglichkeit des Hochschulstudiums einsetzten. 1865 wurde der „Allgemeine deutsche Frauenverein (ADF)“ durch Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt gegründet. Eines der wichtigsten Ziele des Vereines war das Recht auf eine freie Wahl der Erwerbsarbeit (für Frauen aus bürgerlichem Haus waren ausschließlich Berufe wie Lehrerin oder Gouvernante vorgesehen) und gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Für die aus der Arbeiterbewegung hervorgegangene proletarische Frauenbewegung, die besonders mit dem Namen Clara Zetkin (1857 – 1933), einer sozialistischen Politikerin, verbunden wird, standen eine Verbesserung der Lohnsituation, Arbeitszeitverkürzung und der Arbeits- und Mutterschutz im Mittelpunkt ihrer Forderungen. Die wichtige Voraussetzung für die Erreichung dieser Ziele wurde in einer sozialistischen Gesellschaft gesehen. Trotz konzeptioneller Unterschiede zwischen bürgerlicher und proletarischer Frauenbewegung existierte in ihrer Forderung nach Gleichberechtigung der Geschlechter auf politischer und wirtschaftlicher Ebene die wichtigste Gemeinsamkeit beider Strömungen. Während dieser Phase konnten bedeutsame Veränderungen in Bezug auf die Geschlechterverhältnisse erreicht worden. So sind zum Beispiel das aktive und passive Wahlrecht der Frauen (gesetzliche Verankerung in Deutschland am 12. November 1918) und der Abbau der Geschlechtsvormundschaft (Vormundschaft über mündige, unverheiratete Frauen und Vormundschaft des Ehemannes) den Erfolgen der ersten Frauenbewegung zuzuordnen.

Zweite Welle: Massiv von der StudentInnen– und Jugendbewegung der Zeit beeinflusst kam es in den 1960er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland zu einem Aufleben der Frauenbewegung, der sogenannten zweiten Welle. Durch Gründung diverser autonomer Frauengruppen und Netzwerken versuchten Frauen öffentlichkeitswirksam auf Benachteiligungen aufmerksam zu machen. Beteiligt an der Bewegung waren Frauen völlig unterschiedlicher politischer Richtung, die sich in ihren Hauptforderungen, wie beispielsweise das Recht zur Selbstbestimmung, aktives Mitspracherecht in der Politik, den uneingeschränkten Zugang zu qualifizierten Tätigkeiten und die Abschaffung des §218 (Schwangerschaftsabbruch) überwiegend einig waren. Zu den bedeutendsten Errungenschaften dieser zweiten Welle gehören unter anderem das neue Eherecht (1977), durch das die „Hausfrauenehe“ (Verpflichtung der Frau zur Haushaltsführung) abgeschafft wurde, die Reformierung des Scheidungsrechts (1977, Entfall des Schuldprinzips) und die Verabschiedung des Gesetzes zur „Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz“ (1980). Während dieser Phase entstand in Westberlin das erste Frauenhaus Deutschlands und unterschiedliche Frauengruppen begannen Beratungsleistungen und Unterstützung für Frauen, die Opfer (sexueller) Gewalt wurde, anzubieten. Auch im kulturellen Bereich gab es Innovationen: So wurden Frauentheatergruppen, -bands und -kabaretts sowie erste Frauenverlage, die feministische Literatur veröffentlichten (zum Beispiel die Frauenoffensive in München) gegründet.

Seit den 1980er Jahren differenzierte sich die Frauenbewegung zunehmend aus, da sich die verschiedenen (Interessens-)Gruppen, wie zum Beispiel Mütter, Migrantinnen, Lesben und Wissenschaftlerinnen in jeweils eigenen Vereinen organisierten, um sich für ihre spezifischen Anliegen einzusetzen. Die zeitgleich zunehmende Institutionalisierung der Frauenbewegung in politische Verbänden und Institutionen, zum Beispiel Einrichtung von Frauenforschungszentren und Gleichstellungsstellen, führte schließlich dazu, dass öffentliche Proteste autonomer Gruppen zunehmend weniger wurden und die Frauenbewegung nach und nach aus dem Fokus der Öffentlichkeit und des medialen Interesses verschwand.

Dritte Welle: Die Institutionalisierung der Frauenbewegung in Wissenschaft und auch Politik, zum Beispiel in Form von Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragten, führte seit den 1990er Jahren dazu, dass Themen wie Gewalt gegen Frauen und berufliche Qualifizierungs- und Aufstiegsmöglichkeiten vermehrt in diese Stellen verlegt wurden. Lässt sich somit im Moment von einer (organisierten) Frauenbewegung, einer dritten Welle, im Zuge der Professionalisierung von feministischer Arbeit überhaupt noch sprechen? Hierzu gibt es ganz unterschiedliche Einschätzungen und Wahrnehmungen: Während einige WissenschaftlerInnen die Existenz einer Frauenbewegung in der heutigen Zeit anzweifeln und bemerken, dass das in der Vergangenheit Erreichte mittlerweile als eine alltägliche Selbstverständlichkeit angesehen wird, bemerken andere Stimmen, dass die Frauenbewegung nach wie vor, auch ohne große und öffentlichkeitswirksame „auf der Straße“ stattfindende Protestaktionen existiert und sich jede/r Einzelne persönlich, ohne Mitglied in einer organisierten Gruppe zu sein, für ihre Gleichberechtigung im Privat- und Arbeitsleben einsetzt. Festzuhalten ist, dass die feministische Diskussion in einem hohen wissenschaftlichen Diskurs geführt wird, die Anzahl der Veröffentlichungen frauenspezifischer Literatur sehr hoch ist und viele dezentral organisierte Aktionen und Veranstaltungen stattfinden. Diese werden allerdings von der allgemeinen Öffentlichkeit weder in ihrem vollen Umfang wahrgenommen, noch mit einer kollektiven Bewegung in Verbindung gebracht, wie es in der ersten und zweiten Phase der Fall war.

Weiterführende Literatur:

Nave-Herz, Rosemarie (1997): Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland. Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung, Hannover.

Lenz, Ilse (2004): Frauenbewegungen: Zu den Anliegen und Verlaufsformen von Frauenbewegungen als sozialen Bewegungen. In: Becker, Ruth; Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 665 – 675.

Lenz, Ilse (Hrsg.) (2008): Die Neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. Eine Quellensammlung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Vogel, Ulrike (2007): Zur Entwicklung der Diskussion um Feminismus und Frauen- bzw. Geschlechterforschung. Einleitende Hinweise. In: Vogel, Ulrike: Meilensteine der Frauen- und Geschlechterforschung. Originaltexte mit Erläuterungen zur Entwicklung in der Bundesrepublik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 17 – 21.

http://www.bpb.de/themen/KYOE75,0,0,Frauenbewegung.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Frauenbewegung

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