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Universitätsarchiv

© Universität Bielefeld

Veröffentlichungen des Universitätsarchivs

Vom Archivar ausgegraben

„Vom Archivar ausgegraben“ heißt die Reihe von kleineren Veröffentlichungen des Universitätsarchivs zu universitätsgeschichtlichen Themen, wobei immer ein Bild und seine Geschichte im Mittelpunkt steht. Die Beiträge erscheinen in der Alumnizeitung „Nachschlag“ des Absolventen-Netzwerks der Universität Bielefeld.

Der wiedergewählte Rektor Prof. Dr. Karl Peter Grotemeyer hält während des Umtrunks in der zentralen Halle eine Rede von einer Hebebühne und mit Megafon (01.06.1977).
Der wiedergewählte Rektor Prof. Dr. Karl Peter Grotemeyer hält während des Umtrunks in der zentralen Halle eine Rede von einer Hebebühne und mit Megafon (01.06.1977). Quellenangabe: Universitätsarchiv Bielefeld, Fotosammlung FOS 00714

aus: Nachschlag 1/2015 vom Oktober 2015, S. 7

Volksfeststimmung in der zentralen Universitätshalle. Der Rektor der Universität, der Mathematiker Karl Peter Grotemeyer, erklettert mit Megaphon eine geschmückte mechanische Hebebühne, die "Teutoburger Jäger" schmettern einen Glückwunsch, die anwesenden Studierenden stimmen das vorrevolutionäre "Bürgerlied" an und ein "städtisches Gratulationscorps" erscheint mit dem Oberbürgermeister an der Spitze. Selbst die Bild-Zeitung schreibt zwei Tage später in ihrer Rubrik "Was man so hört in Westfalen": "500 Studenten feierten ihren beliebten Rektor".

Was war geschehen? In schwierigen Zeiten mit hohem finanziellem Druck auf die stark politisierten Hochschulen stellte sich Rektor Grotemeyer zum dritten Mal im Konvent zur Wahl, was an anderen Hochschulen zu dieser Zeit durchaus scheitern konnte. In Bielefeld allerdings wurde Grotemeyer mit großer Mehrheit wiedergewählt, ein schon damals "nahezu einmaliger Vorgang in der deutschen Universitätsgeschichte der Nachkriegszeit", so Wolff-Dietrich Webler, der Vorsitzende des Konvents. Begründet sei dies unter anderem in der menschlichen und ungewöhnlich integrationsfähigen Persönlichkeit Grotemeyers.

Grotemeyer bedankte sich bei den Konventsmitgliedern, Wissenschaftlern und Mitarbeitern und den anwesenden Studierenden und betonte, dass er versuchen werde, das Vertrauen zu rechtfertigen, und hoffe, dass Meinungsverschiedenheiten, Auseinandersetzungen und Konflikte in fairer Weise ausgetragen würden: "Das ist eine Art Grundkonsens an dieser Universität." Darüber hinaus vergaß er nicht, die Anwesenden auf das vorhandene Freibier hinzuweisen. Karl Peter Grotemeyer, 1927 in Osnabrück geboren, kam 1969 von der FU an die gerade in Gründung begriffene "Reformuniversität" Bielefeld und wurde noch im gleichen Jahr zum Prorektor gewählt. Bereits am Tag seiner Wahl musste er den überraschend erkrankten Rektor vertreten. Im März 1970 wurde Grotemeyer dann zum Rektor gewählt und blieb dies bis weit über die Ereignisse des Jahres 1977 hinaus. 1981, 1984 und zuletzt 1989 wurde er mit teilweise noch klareren Mehrheiten wiedergewählt und schied erst mit seiner Emeritierung 1992 nach 22 Jahren als Rektor der Universität aus.

Mit seiner durch Konsens und Fairness geprägten Amtsführung, seiner Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit für "seine" Hochschule, seiner Offenheit und Liberalität prägte er die junge Universität, wie er auch Generationen von Mathematikstudierenden prägte. Er ließ es sich nämlich nicht nehmen, trotz des Rektoramtes zu unterrichten und Prüfungen abzunehmen. Karl Peter Grotemeyer starb 2007 im Alter von 79 Jahren in Bielefeld.

Martin Löning

offizielle Einweihung der Stadtbahnhaltestelle Universität und der Brücke (27.10.2001). In der Mitte zu sehen: Rektor Prof. Dr. Dieter Timmermann, NRW-Bauminister Michael Vesper, Oberbürgermeister Eberhard David, rechts hinter Timmermann MdL Günter Garbrecht.
offizielle Einweihung der Stadtbahnhaltestelle Universität und der Brücke (27.10.2001). In der Mitte zu sehen: Rektor Prof. Dr. Dieter Timmermann, NRW-Bauminister Michael Vesper, Oberbürgermeister Eberhard David, rechts hinter Timmermann MdL Günter Garbrecht. Quellenangabe: Universitätsarchiv Bielefeld, Fotosammlung FOS 00520

aus: Nachschlag 1/2016 vom April 2016, S. 7

"Keine 0815-Haltestelle", mit diesen Worten eröffnete der ehemalige Dekanatsassistent der Fakultät für Soziologie, Landesbauminister Michael Vesper (Bildmitte, zusammen mit Rektor Timmermann, links, und Oberbürgermeister David, rechts), die architektonisch aufwändige Stadtbahnhaltestelle Universität in Anwesenheit von Prominenz aus Universität, Stadt und Land. Die Fertigstellung der "Uni-Linie" beendete eine über 30 Jahre alte Planung, die zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Universität und zwischen Universität und Stadt geführt hatte. Zwar hatte bereits der siegreiche Bauentwurf 1969 eine Stadtbahnhaltestelle auf der nördlichen Universitätsstraße vorgesehen, die bis Mitte der 1970er-Jahre zu realisieren sei, doch schon wenig später kamen aus den naturwissenschaftlichen Fakultäten Bedenken wegen möglicher Störungen, was in Verbindung mit knappen finanziellen Ressourcen zu einer Aussetzung der Planung führte.

In der Folge kamen Generationen von Studierenden mit dem Fahrrad, dem eigenen Auto oder mit überfüllten Bussen zur immer weiter wachsenden Universität. Zuletzt fuhren auch Schnellbusse direkt vom Hauptbahnhof, und standen zunächst im fast schon obligatorischen Stau. Erst in den 1990er-Jahren kam nach Eröffnung der Stadtbahn in Bielefeld und auf Initiative der Verkehrs-AG des AStA wieder Leben in die Diskussion. Es folgte ein zähes Ringen insbesondere um eine universitätsnahe und eine universitätsfernere Variante, wobei die größere Sicherheit der Nutzer aufgrund des kürzeren Weges für die nähere, die Störung der naturwissenschaftlichen Geräte die Möglichkeit, das Gelände zwischen Haltestelle und Haupteingang planerisch zu nutzen für die fernere Variante sprach.

Schließlich erzielte man eine Lösung, die sich übrigens mit der deckte, die die Universitätsarchitekten schon 1969 vorgesehen hatten. Heute ist die Linie 4 mit über 33.000 beförderten Personen pro Semesterwerktag der meistgenutzte Ast der Bielefelder Stadtbahn und nach über 15 Jahren Betrieb für alle eine Selbstverständlichkeit.

Martin Löning

Während im Düsseldorfer Landtag das PH-Zusammenführungsgesetz verabschiedet wurde, inszenierten Studenten und Lehrkräfte der PH Bielefeld im Uni-Schwimmbad ein Märchen von der PH-Integration unter dem Motto 'Die PH geht baden'.
Während im Düsseldorfer Landtag das PH-Zusammenführungsgesetz verabschiedet wurde, inszenierten Studenten und Lehrkräfte der PH Bielefeld im Uni-Schwimmbad ein Märchen von der PH-Integration unter dem Motto 'Die PH geht baden'. Quellenangabe: Universitätsarchiv Bielefeld, Fotosammlung FOS 01543

aus: Nachschlag 2/2016 vom Oktober 2016, S. 7

Während im Düsseldorfer Landtag mit den Stimmen aller Fraktionen das zum 1. April 1980 wirksam werdende Gesetz über die Zusammenführung der Pädagogischen Hochschulen mit den Universitäten des Landes verabschiedet wurde, inszenierten Studierende und Lehrkräfte der Bielefelder Abteilung der PH Westfalen-Lippe im Schwimmbad der Universität unter starker Medienbeteiligung das "Märchen von der PH-Integration" und gingen symbolisch mit ihrer lieb gewonnenen Lehrerausbildungsstätte baden.

Der Landtagsbeschluss beendete formal einen Prozess der seit 1978 enorme Ressourcen an der PH und der Universität gebunden hatte, der aber vor Ort gut vorbereitet und konstruktiv gestaltet wurde, um insbesondere den Vorbehalten auf Seiten der PH zu begegnen. Man befürchtete, dass die Integration durch den Abbau von Überkapazitäten Einsparpotential bieten sollte und die Belange der Fachdidaktik und der Primarstufen-Lehrerausbildung in einer nach Fachwissenschaften organisierten und forschungsorientierten Universität zu stark in den Hintergrund treten würden. Auch auf Seiten der Universität gab es Stimmen, die vor Verteilungskämpfen und einer Verwässerung der Wissenschaft warnten. Erich-Christian Schröder, bis zur Integration Rektor der PH und anschließend Prorektor für Lehre an der Universität, bezeichnete rückblickend die Integration in Bielefeld, im Gegensatz zu anderen Hochschulstandorten, als geglückt, was unter Anderem am Aufbau des seinerzeit einzigartigen Zentrums für Lehrerbildung (Zfl, heute BiSEd) gelegen habe.

Die vergleichswiese kleine Universität, die ihren eigenen Aufbau selbst noch nicht vollständig bewerkstelligt hatte, veränderte sich durch die Integration stark: Die Universität wurde größer und überschritt nach der Integration von 2.100 Studierenden - neben 148 Wissenschaftlern (davon 56 Professoren) und 78 nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern - die ursprünglich festgelegte Studienplatzzielzahl von 10.000 Studierenden. Die Universität wurde auch bunter und das nicht nur durch die Studierenden der "Himmel und Erde"-Fakultät (formal: Fakultät für Theologie, Geographie, Kunst und Musik) oder durch Aktionen, wie der Aufführung des "Märchens von der PH-Integration" im Uni-Schwimmbad am 23. Januar 1980, die übrigens mit einem Happy End endete. Ein als Wissenschaftsminister verkleideter Student musste baden gehen (siehe Foto), während man die Elemente einer qualifizierten Lehrerausbildung und ausreichende Studienplätze wieder an Land zog.

Martin Löning

Bundesbildungsminister Hans Leussink diskutiert bewaffnet mit einem Megafon mit protestierenden Studenten. Links von Leussink Jürgen Heinrich (ab März 1970 persönlicher Referent des Rektors Grotemeyer) rechts von Leussink Universitätskanzler Dr. Eberhard Firnhaber. (01.12.1969).
Bundesbildungsminister Hans Leussink diskutiert bewaffnet mit einem Megafon mit protestierenden Studenten. Links von Leussink Jürgen Heinrich (ab März 1970 persönlicher Referent des Rektors Grotemeyer) rechts von Leussink Universitätskanzler Dr. Eberhard Firnhaber. (01.12.1969). Quellenangabe: Universitätsarchiv Bielefeld, Fotosammlung FOS 01542

aus: Nachschlag 1/2017 vom April 2017, S. 7

Die Universität Bielefeld hatte gerade zwei Wochen vorher unter Begleitung von demonstrierenden Studierenden der Pädagogischen Hochschule (PH) im Aufbau- und Verfügungszentrum an der Kurt-Schumacher-Straße sachlich-nüchtern den Lehrbetrieb aufgenommen, da trafen sich am 1. Dezember 1969 viele der Beteiligten erneut am gleichen Ort und müssen ein Déjà-vu gehabt haben: Anlässlich der feierlichen Schlüsselübergabe des Landes an die Universität hatte sich erneut - nicht gänzlich unerwartet - ein Demonstrationszug, bestehend aus rund 1000 PH-Studierenden, Studienreferendarinnen und -referendaren des Bezirksseminars und Bielefelder Oberschülerinnen und -schülern zusammengefunden. Die letzten 200 Meter zum Aufbau- und Verfügungszentrum im Laufschritt zurücklegend - wie man es sonst nur in den großen Städten des Studentenprotestes kannte - wollten die Demonstrierenden in Gegenwart der erhofften Landesprominenz auf die Mängel des Bildungswesens und den ihrer Meinung nach herrschenden Notstand an den Pädagogischen Hochschulen und höheren Schulen aufmerksam machen. Schnell drangen sie durch Fenster und Kellereingänge ins Gebäude ein und besetzten das Treppenhaus, durch das sich die Gäste der Feierlichkeiten ihren Weg bahnen mussten. Für den entschuldigten Ministerpräsident Heinz Kühn, der eigentliche Adressat des Protestes, trat erneut zunächst Prorektor Karl-Peter Grotemeyer vor die Demonstranten und versuchte mit "bewundernswerter Geduld" (Westfalen-Blatt vom 3.12.1969) auszuhandeln, in welcher Form diese ihre Argumente vorbringen könnten.

Danach nahm Bundesbildungsminister Hans Leussink noch im belagerten Treppenhaus mit Hilfe eines Megaphons Stellung zu den Forderungen der Demonstrierenden (Foto: links von Leussink Jürgen Heinrich, ab März 1970 persönlicher Referent des Rektors Grotemeyer, rechts von Leussink Universitätskanzler Dr. Eberhard Firnhaber) und einigte sich mit den Wortführern der Protestierenden darauf, dass nach der eigentlichen Feierstunde eine Delegation ihre Forderungen vorbringen könne und man mit ihnen diskutieren werde. Diese boten an, sich auch die Schuhe abzuputzen, während die Gegenseite eine Teilhabe an Wein und Imbiss anlässlich der Feierstunden in Aussicht stellte. Die im Hintergrund bereit gehaltenen Polizeikräfte mussten angesichts der Kommunikationsbereitschaft und Besonnenheit der Beteiligten nicht eingreifen. Eine Tatsache, die sich im Verlauf der Universitätsgeschichte durchaus wiederholte, so dass zum Beispiel das Westfalen-Blatt zwar über die tumultartigen Szenen ausführlich berichtete, aber angesichts des von den Protestierenden rege in Anspruch genommen kulinarischen Angebots fast am bemerkenswertesten fand: "Die 'Linke' griff mit der Rechten tüchtig zu."

Martin Löning

Studenten versammeln sich in der zentralen Halle der Universität, um einen Demonstrationszug bis zum Bielefelder Rathaus zu starten (2.12.1997).
Studenten versammeln sich in der zentralen Halle der Universität, um einen Demonstrationszug bis zum Bielefelder Rathaus zu starten (2.12.1997). Quellenangabe: Universitätsarchiv Bielefeld, Fotosammlung FOS 01541

aus: Nachschlag 2/2017 vom Oktober 2017, S. 7

Den Anfang machten die hessischen Universitäten, doch schon bald protestierten bundesweit Studierende gegen die mangelhafte finanzielle Ausstattung und schlechten Studienbedingungen an den überfüllten Hochschulen, aber auch gegen die Novelle des Hochschulrahmengesetzes und die ihrer Meinung nach verkorkste Bachelor-Reform. Den Forderungen wurden in der Bevölkerung und selbst bei den Entscheidungsträgern der Gesellschaft große Sympathien entgegengebracht. Am 27. November votierten im überfüllten Audimax die Bielefelder Studierenden mit übergroßer Mehrheit für eine sofortige Teilnahme am Streik, der - vom Rektorat toleriert und in den Grundforderungen unterstützt - zunächst bis zum Ende der bundesweiten Aktionswoche am 5. Dezember dauern sollte. Erstmals in der bundesdeutschen Geschichte und heute selbstverständlich sorgten „computervermittelte Kommunikationsstrukturen“ für einen ungeahnten Mobilisierungsschub. Mail-Netzwerke wurden aufgebaut und „Streik Sites“ nahezu minütlich aktualisiert. Zusammen mit kreativen traditionellen Aktionen, Happenings und Demonstrationen entstand so der bis dahin größte Studierendenprotest in Bielefeld.

Nach Veranstalterangaben zogen am 2. Dezember nahezu 10.000 Studierende und Schüler von der Universität (Foto) zum Rathaus, die Stimmung - so AStA-Vertreter - war „chaotisch, wild, wunderbar und irre gut“. Aber nach Statements aus der Politik, sich um eine bessere Ausstattung der Hochschulen kümmern zu wollen, hatten die Protestbefürworter in der Vorweihnachtszeit zunehmend Schwierigkeiten die Passivität vieler Studierender zu durchbrechen. Auch wenn der Streik am 15. Dezember noch einmal verlängert werden konnte, sorgte die Weihnachtspause endgültig für das Abebben des Elans. Am 5. Januar wurde der Streik für beendet erklärt. Zwar konnte keine der zentralen Forderungen durchgesetzt werden, aber der Streik habe sich gelohnt, weil man Öffentlichkeit für die derzeitigen Missstände in der Universität habe schaffen können. Die nahezu unmittelbar danach stattfindenden Wahlen zum Studierenden-Parlament zeigten, dass die heiße Vorweihnachtszeit nur ein flüchtiger Rausch gewesen war und keine dauerhafte Mobilisierung stattgefunden hatte. Die Wahlbeteiligung sank noch einmal auf bescheidene 12,75 %, und auch das Kreuzchen wurde annähernd wie im Vorjahr gesetzt. Einzig die Liste „No Smoke“ war mit 10 % neu und half so, später eine rauchfreie Halle durchsetzen. Eine Forderung konnte dann also doch durchgesetzt werden.

Martin Löning

Rektor Prof. Dr. Karl Peter Grotemeyer (links) überreicht der Mannschaft der Sportabteilung den Siegerpokal des ersten Finnbahnlaufes, daneben steht Prof. Dr. Dietrich Kurz (13.07.1983).
Rektor Prof. Dr. Karl Peter Grotemeyer (links) überreicht der Mannschaft der Sportabteilung den Siegerpokal des ersten Finnbahnlaufes, daneben steht Prof. Dr. Dietrich Kurz (13.07.1983). Quellenangabe: Universitätsarchiv Bielfeld, Fotosammlung FOS 00794

aus: Nachschlag 1/2018 vom April 2018, S. 7

Sportfeststimmung oberhalb der Universität an der Morgenbreede: Mit dem Durchtrennen eines weißen Bandes eröffnete der Rektor der Universität Bielefeld, Prof. Dr. Karl Peter Grotemeyer, am 13. Juli 1983 die neue 500 m lange und 200.000 DM teure Lauftrainingsbahn der Abteilung Sportwissenschaften, den meisten besser bekannt als „Finnbahn“. Die durch den Rindenmulchbelag gelenkschonende neue Uni-Einrichtung war auf Anregung von Prof. Dr. Dietrich Kurz, seit 1978 Professor für den Arbeitsbereich Sport und Erziehung an der Universität Bielefeld, angelegt worden. Kurz, der darauf hinwies, dass die Finnbahn allen Bielefelderinnen und Bielefeldern „per Pedes“ offenstehe, nicht aber als Ausführstrecke für Vierbeiner oder idealer Rundkurs für motorisierte Geländerennen diene, initiierte auch das am gleichen Tag erstmals stattfindende Fakultätenstaffelrennen - das Finnbahn-Meeting. Im Beisein von Grotemeyer und Kurz konnte die Mannschaft der Sportwissenschaften nach 20 Runden den von ihnen selbst gestifteten Pokal holen (siehe Foto).

Mittlerweile ist das Finnbahn-Meeting „eine gelungene identitätsstiftende Veranstaltung“ für die Universität (Dietrich Kurz) und zum 33. Mal über die Bühne gegangen. Die Anzahl der teilnehmenden Staffeln stieg im Lauf der Jahre von 7 auf fast durchgängig über 30 und auch das Zuschauerinteresse an rennenden Kommilitonen und Kommilitoninnen, Kollegen und Kolleginnen, Professoren und Professorinnen, Rektoren und Kanzlern ist enorm gewachsen. Viele Staffeln gehen in teilweise schrillen Outfits oder mit für eine Hochschule angemessen geistreichen und selbstironischen Namen an den Start: „Schneller als sie denken“ (Zentralverwaltung) läuft gegen „Uns schlagen (fast) alle“ (IKG), die „Sewaldgurken“ aus der Chemie treffen auf die „Nervenbündel“ aus der Biologie, „Achill und die Schildkröten“ aus der Philosophie messen sich mit den „Health Angels“ aus den Gesundheitswissenschaften.

1993 stellten die „μden Quanten“ aus der Physik einen Bahnrekord auf, der gleichzeitig zeigte, dass neben sehr viel Spaß auch Ernst und Ehrgeiz zum Finnbahn-Meeting gehören konnten. Der Seriensieger aus der Physik setzte zum ersten (aber nicht zum letzten Mal) einen Hermannslaufgewinner ein und aus anderen Hochschulbereichen war zu hören, dass über Nacht durch enormen finanziellen Einsatz aus schnellen, aber universitätsfernen Läufern laufberechtigte Gasthörer wurden, um die begehrte Trophäe zu ergattern.

1999 trat übrigens erstmals eine Mannschaft des „Absolventen-Netzwerks“ beim Finnbahn-Meeting an und errang einen hervorragenden vorletzten Platz, was dazu führte, das die Staffel im Folgejahr folgerichtig unter dem Namen „Fix und fertig“ antrat.

Martin Löning

„Abgestaubt“ – aus dem Universitätsarchiv

"Abgestaubt" hieß eine Reihe von kleineren Veröffentlichungen des Universitätsarchivs zu universitätsgeschichtlichen Themen. Die Beiträge erschienen in der Bielefelder Universitätszeitung. Den Auftakt gab im November 2001 die Geschichte der Stadtbahnhaltestelle, die nach jahrzehntelangen Diskussionen im Herbst 2001 eröffnet wurde.

Die 2001 eingeweihte Stadtbahnhaltestelle "Universität"
Die 2001 eingeweihte Stadtbahnhaltestelle "Universität". Foto: Norma Langohr

aus: BUZ, 208/2001 vom 27.11.2001, S. 85f

Am 27. Oktober 2001 wurde die Stadtbahnhaltestelle Universität der Linie 4 ("Unilinie") mit viel Prominenz und mannigfaltigen Aktivitäten in der Universität offiziell eingeweiht. Viele Bielefelder fanden - kostenlos - zum ersten Mal den Weg in die Universität und ließen sich von der architektonisch und finanziell aufwendig gestalteten Haltestelle, die laut Bauminister Vesper keine "08/15-Haltestelle" ist, beeindrucken.

 

Darstellung der am 27. Oktober 2001 eröffneten Stadtbahnhaltestelle Universität
Darstellung der am 27. Oktober 2001 eröffneten Stadtbahnhaltestelle Universität Quellenangabe: WB 22.2.2000

In Betrieb genommen wurde die Haltestelle bereits am 2. September des Jahres, die Unilinie nahm gar ihren Betrieb mit einer provisorischen Haltestelle vor den Studierendenwohnheimen an der Universitätsstraße Anfang April 2000 auf. Damit ist sie kaum 30 Jahre später gekommen als geplant, denn eine Stadtbahn zur Universität hatten bereits die Planer der Hochschule in den 60er Jahren im Kopf.

Damals sahen die Planungen eine Straßenbahnlinie zur späteren Universität vor. Im Ausschreibungstext des Bauwettbewerbs zur Universität Bielefeld hieß es, dass der Querschnitt der neuen Planstraßen im Bielefelder Westen (u.a. die Kurt-Schumacher-Straße) "für die Zukunft ein schienengebundenes Verkehrsmittel auf[weist], das den Hauptbahnhof mit der Universität verbinden soll". Der im Mai 1969 beim Bauwettbewerb siegreiche Entwurf der Architektengemeinschaft Herzog, Köpke, Siepmann und Töpper sah eine Straßenbahnlinie mit einer - vom Preisgericht als "funktionell günstig" gelobten - Haltestelle in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang an der südlichen Erschließungsstraße (jetzt: südliche Universitätsstraße) vor. In den folgenden Jahren war die Ausführung der Straßenbahnlinie und -haltestelle auf dem Universitätsgelände - aufgeständert zwischen Vorplatz und südlicher Erschließungsstraße - unstrittig. Diskussionen wurden allerdings um die Trasse außerhalb des Geländes geführt, wobei für die unterschiedlichen Varianten (Tieflage oder Hochlage) Bausummen von bis zu 200 Mio. Mark kursierten. Der Zeitpunkt der Realisierung der Stadtbahn war zunächst zeitgleich mit der Fertigstellung des Universitätshauptgebäudes, also ca. 1975/76, vorgesehen. Dieser Zeitplan wurde aber bereits Anfang der 70er Jahre von der Realität überholt, was auf Seiten der Universität einen Umdenkungsprozess in Gang setzte.

Bereits 1970 waren aus der Universität Stimmen laut geworden, die eine Störung der naturwissenschaftlichen Institute der Universität durch die Stadtbahn befürchteten. Angesichts der von allen Seiten als unsicher eingeschätzten Realisierung der Stadtbahn - man sprach von einer Fertigstellung frühestens 1980/85 - setzte die Universitätsleitung zunehmend auf eine schienenungebundene Lösung. Folgerichtig plädierte die Universität Ende 1972 für eine Verlegung der Stadtbahn an den Rand des Universitätsgeländes entlang der nördlichen Universitätsstraße, die es zuließ, die Universität ohne ein "Stadtbahnloch" in der Mitte zu bauen und die den Betrieb der naturwissenschaftlichen Fakultäten durch die größere Distanz nicht tangierte.

Die beiden Varianten der Stadtbahnhaltestelle 1973. Hier Variante A, unten die von der Universität favorisierte Variante B.
Die beiden Varianten der Stadtbahnhaltestelle 1973. Hier Variante A, unten die von der Universität favorisierte Variante B. Quellenangabe: Universitätsarchiv, B 12
Die beiden Varianten der Stadtbahnhaltestelle 1973. Hier die von der Universität favorisierte Variante B, oben Variante A.
Die beiden Varianten der Stadtbahnhaltestelle 1973. Hier die von der Universität favorisierte Variante B, oben Variante A. Quellenangabe: Universitätsarchiv, B 12

Die nun einsetzende Diskussion erinnert in Bezug auf Frontstellung und Argumente an die Diskussion der späten 90er Jahre. Während sich Universität, Architektengemeinschaft, der Bauherr HFG (Nordrhein-Westfälische Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft mbH) und die LEG (Landesentwicklungsgesellschaft NW mbh) aus topographischen, verkehrstechnischen und funktionalen Gründen für die Variante B (nördliche Universitätsstraße) aussprachen, favorisierte die Stadt aus Gründen der Akzeptanz der Stadtbahn die universitätsnähere Variante A (südliche Universitätsstraße). Konkret führten die Befürworter der B-Variante die Störung der naturwissenschaftlichen Institute und die geringeren Kosten als Argumente an. Die Parkplätze könnten gebaut werden, ohne die fraglich gewordene Stadtbahntrasse freihalten zu müssen. Der Weg zum UHG über einen "Fußgängersteg zur Erschließung und Überquerung der Parkierungs- und Verkehrsanlagen" sei mit ca. 300 Metern immer noch kurz, wobei ohnehin die Entscheidung zur Nutzung der Stadtbahn auf dem Hinweg fallen würde und nicht auf dem Weg von der Universität nach Hause. Die Stadt, die dem ÖPNV eine höhere Priorität als dem Individualverkehr einräumte, sah mit der um 100 Metern größeren Entfernung zum UHG die Akzeptanz der Linie gänzlich in Frage gestellt, und führte darüber hinaus noch an, dass die Zufahrt zum Heizwerk durch die B-Variante unterbrochen würde und sich die Universität noch im Juli 1972 für die alte Planung ausgesprochen habe. Beide Seiten ließen in der Folgezeit Gutachten und Analysen erstellen, ohne dass ein Ergebnis näher rückte, und auch eine im Juli 1973 von der Architektengemeinschaft eingebrachte Kompromisstrasse C - die weitgehend der B-Variante entsprach - wurde zwar von beiden Seiten als technisch möglich und machbar eingestuft, führte zu keiner Einigung.

Das Thema Stadtbahn und Stadtbahnhaltestelle verschwand in der Folgezeit zunehmend in der Versenkung. Ein Besprechungsprotokoll vom September 1974 schreibt im Grunde genommen den Zustand fest, wie er bis zum endgültigen Bau der Unilinie bestand: die Erschließung des Universitätsgeländes erfolgt zunächst ausschließlich über Straßen, die südliche Universitätsstraße wird durch eine Fußgängerbrücke zum Universitätsvorplatz überquert, der Bau einer Stadtbahnlinie wird für die Mitte der 90er Jahre in Aussicht gestellt. In der Folgezeit wiesen nur noch Orientierungspläne auf dem Universitätsgelände eine Stadtbahn und eine Haltestelle an der nördlichen Universitätsstraße aus.

Erst 1986 und verstärkt in den 90er Jahren widmete man sich erneut dem Projekt Stadtbahn zur Universität. Die gegensätzlichen Meinungen blieben jedoch bestehen und wurden auf Seiten der Universität durch sensiblere Instrumente in den naturwissenschaftlichen Fakultäten und auf Seiten der Stadt durch erhöhte Sicherheitsbedürfnisse der Stadtbahnnutzer eher noch verstärkt. Die "munteren Diskussionen über die verschiedenen Varianten" (so Bauminister Vesper am 28. März 1996 an den damaligen Universitätsrektor Skowronek), über "elektromagnetische Verträglichkeiten" oder die Sicherheitsbedürfnisse der Stadtbahnnutzer ließen an eine schnelle Realisierung der Stadtbahn nicht denken. Im Kräftefeld von Stadt, Land und Universität, von verschiedenen universitären und politischen Gruppen war ein Fortschritt kaum zu erkennen.

Aber das ist eine andere Geschichte ...

Martin Löning

Das Jahr 1977: Die Frauenzeitung "Emma" erscheint zum ersten Mal, Elvis Presley stirbt an Herzversagen, der Verpackungskünstler Christo darf das Reichstagsgebäude (noch) nicht einpacken. In Erinnerung bleibt das Jahr allerdings eher durch RAF-Attentate und den "Deutschen Herbst". Die deutschen Hochschulen erlebten eine Politisierung des Hochschulalltags und die Radikalisierung politischer Gruppen. Diskutiert wurden Wissenschaftsfreiheit, Berufsverbote und das allgemeinpolitische Mandat. An nordrhein-westfälischen Universitäten planten Studierende Streiks und Vorlesungsboykott. Hinzu kam, dass finanzielle Spielräume für die Verwirklichung von Reformvorhaben an den Universitäten infolge der Wirtschaftskrise nahezu nicht mehr vorhanden waren. Rektoren zählten zu den umstrittensten Persönlichkeiten in öffentlichen Wahlämtern.

aus: BUZ 212/2002 vom 19. November 2002, S. 67f.

An der Universität Bielefeld, 1969 mit weitreichenden Reformansprüchen gestartet und aufgrund sprunghaft gestiegener Studentenzahlen nun auf dem Weg zu einer "normalen Massenuniversität", drehten sich die Diskussionen 1977 um "Radikalenerlass" und das Fortbestehen des Oberstufen-Kollegs. Angriffe aus Teilen der Bielefelder Öffentlichkeit richteten sich gegen die Universität und ihr Selbstverständnis. Alles andere als eine gemütliche Zeit an der Spitze der Universität.

Angesichts dieser Rahmenbedingungen verwundert es nicht, dass der Wahlausschuss dem Konvent mit Prof. Dr. Karl Peter Grotemeyer nur den amtierenden Rektor als Kandidat vorschlagen konnte. Das Protokoll der 20. Sitzung des Konvents der Universität Bielefeld vom 1. Juni 1977 vermeldet unter TOP 7 "Wahl des Rektors" lediglich: "Bei 55 anwesenden Konventsmitgliedern wurde Herr Grotemeyer mit 49 : 3 : 3 wieder gewählt. Im Anschluss an die Wahl trug Herr Webler als Mitglied des Konvents eine ausführliche Würdigung der Wiederwahl von Herrn Grotemeyer zum Rektor der Universität Bielefeld vor."

Rektor Grotemeyer prostet den Menschen zu, die anlässlich der Feier seiner Widerwahl in die zentrale Halle gekommen sind.
Rektor Grotemeyer prostet den Menschen zu, die anlässlich der Feier seiner Widerwahl in die zentrale Halle gekommen sind. Quellenangabe: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 00710, Fotograf: Farr

Weit weniger nüchtern ging es nach der Wahl zu. 500 Studierende und Mitarbeiter warteten in der Universitätshalle mit einem kleinen Volksfest für den wiedergewählten Rektor auf. Die Teutoburger Jäger, bis dahin hinter einer Balustrade verborgen, schmetterten ihren Glückwunsch, Studierende sangen zu Ehren des Rektors das vorrevolutionäre "Bürgerlied" und der Oberbürgermeister Bielefelds hatte sich an der Spitze eines "städtischen Gratulationscorps" eingefunden. Grotemeyer selbst bedankte sich bei den Konventsmitgliedern und Gratulanten und betonte, er werde versuchen das Vertrauen nach bestem Können und Vermögen zu rechtfertigen. Er wünsche und hoffe, dass Meinungsverschiedenheiten, Auseinandersetzungen und Konflikte in fairer Weise ausgetragen würden: "Das ist eine Art Grundkonsens an dieser Universität." Zur Freude der Anwesenden erkletterte Grotemeyer die Plattform einer mechanischen Hebebühne, um mit Hilfe eines Megaphons kundzutun: "Ich möchte nicht unterlassen, Sie auf das Bier da hinten in der Halle, hinzuweisen."

Rektor Grotemeyer bedankt sich mit Megafon und von einer Hebebühne herab für seine Wiederwahl.
Rektor Grotemeyer bedankt sich mit Megafon und von einer Hebebühne herab für seine Wiederwahl. Quellenangabe: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 00713, Fotograf: Farr

Die Presse würdigte die "ungewöhnliche Rektorwahl" (Die Glocke), hob hervor, dass eine dreimalige Wahl "einmalig in der Bundesrepublik" sei (BILD), und ging auf die Feierlichkeiten im Anschluss an die Wahl ein ("Ein sicher an deutschen Hochschulen einmaliges Ereignis", Neue Westfälische). Gelobt wurde immer wieder ein "ganz ungewöhnlich integrationsfähiger Mann".

 

Dass Rektorwahlen auch anders enden konnten, zeigten die Ereignisse an der Universität Bonn zwei Wochen später. Ein Abstimmungsboykott der Assistenten und Studenten verhinderte dort zunächst die Neuwahl des Rektors.

Karl Peter Grotemeyer wurde 1981, 1984, 1987 und 1989 mit teilweise noch klareren Mehrheiten vom Konvent für eine weitere Amtszeit als Rektor wiedergewählt und hat den "Rekord" in der Sparte "längste Rektoramtszeit in der bundesrepublikanischen Hochschullandschaft" ausgebaut.

Aber so richtig gefeiert wurde nur vor 25 Jahren ...

 

Martin Löning, Universitätsarchiv

aus: BUZ, 215/2003 vom 19.11.2003, S. 38f

Am 5. Juni 2003 wurde in der konstituierenden Sitzung des Studierendenparlaments (Stupa) der Universität Bielefeld der neue – mittlerweile 30. – AStA. Nach 30 Jahren AStA-Arbeit soll hier an den 1. AStA der Bielefelder Universität erinnert werden. Über seine Wahl am 14. Februar 1972 berichtete die Neue Westfälische mit den nüchternen Worten: "AStA der Uni Bielefeld gewählt" und für das Westfalen-Blatt lag die Besonderheit des 1. AStA in der Vorsitzenden: "Junge Studentin gibt im AStA den Ton an". Ein Blick in die Unterlagen des Universitätsarchivs zeigt wie 1972 alles anfing.

Kaum hatte sich die Fachschaftsleiterkonferenz (FLK) als Vorgängerin des heutigen Studentenparlaments im Dezember 1971 auf den Wahltermin vom 1. bis 3. Februar 1972 geeinigt, entbrannte nach der Weihnachtspause ein kurzer, aber heftiger Wahlkampf der Studentengruppen, in dem sich linke, liberale und konservative Studentengruppen aufs heftigste bekämpften. Wahlkampfthemen waren insbesondere die um den Jahreswechsel 1971/72 vieldiskutierten "Grundsätze über die Mitgliedschaft von Beamten in extremen Organisationen", der sogenannte Radikalenerlass, wonach Mitglieder "extremer Organisationen" aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten werden konnten: Darüber hinaus ging es um die bevorstehende Verabschiedung des Hochschulrahmengesetzes und die "verfasste Studentenschaft" sowie die Studienbedingungen an der erst 1969 gegründeten und sich nun mitten im Aufbau befindlichen Universität. Schließlich wurden in Flugblättern, Wahlplattformen und Wahlplakaten konkrete soziale Aspekte des Studentenalltags thematisiert, wie zum Beispiel die Wohnungsnot in Bielefeld oder die Erweiterung des Mensaangebots um ein preiswertes Abendessen ("kalte Platte"). Aus heutiger Sicht prominenteste Kandidatin war Marie-Luise Beck, Ausländerbeauftragte der Bundesregierung und Grünen-MdB, die auf der Liste des Sozialdemokratischen Hochschulbundes (SHB) in der Fakultät für Rechtswissenschaft antrat.

Wahlaufruf der Sozialistischen Aufbauorganisation zu den FLK-Wahlen im Februar 1972.
Wahlaufruf der Sozialistischen Aufbauorganisation zu den FLK-Wahlen im Februar 1972.

Gewählt wurde getrennt nach Fakultäten. In den drei Gründungsfakultäten (Mathematik, Rechtswissenschaft und Soziologie) waren je fünf Sitze, in der erst im Oktober 1971 gegründeten Fakultät für Pädagogik, Philosophie und Psychologie (PPP) mit nur acht eingeschriebenen Studenten waren drei Sitze zu vergeben. Lediglich der SHB konnte in allen drei Gründungsfakultäten (Mathematik, Rechtswissenschaft und Soziologie) Mandate erringen (insgesamt sieben). Der Marxistische Studentenbund Spartakus (MSB) kandidierte bei den Mathematikern und den Soziologen und erhielt jeweils einen Sitz in der FLK. Der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), die einzige heute noch existierende politische Studentengruppe, trat nur bei den Juristen an und erhielt zwei Mandate.

Tortendiagramm mit Ergebnissen zur Fachschaftsleiterkonferenz 1972

Ebenfalls nur bei den Juristen kandidierte der Liberale Hochschulbund (LHB) und konnte ein Mandat erringen. Die Sozialistische Aufbauorganisation (SAO) kandidierte bei den Soziologen und erhielt zwei Mandate, während die AFU (Aktion Fortschrittliche Universität) als unabhängige Liste bei den Mathematikern einen Sitz gewann. In der PPP-Fakultät wählten vier der acht wahlberechtigten Studenten und konnten damit drei Mandate in der FLK mit "unabhängigen" Kandidaten besetzen. Insgesamt waren 1204 Studenten wahlberechtigt, die Wahlbeteiligung lag bei 53%, ein Wert, von dem man bei heutigen

Statt langwieriger Koalitionsverhandlungen, wie insbesondere in den 80er und 90er Jahren des Öfteren üblich, wählte die FLK gleich in ihrer ersten Sitzung nach den Wahlen die Mitglieder des ersten AStA der Universität Bielefeld mit jeweils großer Mehrheit gegen die Stimmen des RCDS. Der AStA setzte sich aus vier Vertretern und einer Vertreterin des SHB sowie einem Vertreter des MSB zusammen. Vorsitzende wurde Anne Winkhoff vom SHB, die Soziologie im ersten Semester studierte. Nach der Wahl von der Neuen Westfälischen befragt, warum "gerade ein Mädchen Chef des ersten Bielefelder AStA geworden ist", meinte sie: "Wir sind bei der Wahl von ganz bestimmten Kriterien ausgegangen. Zum Beispiel: Wer hat die Zeit und die Möglichkeit, sich voll und ganz für die Arbeit des Studentenausschusses einzusetzen." Nach Aussagen des seinerzeitigen Finanzreferenten im AStA, Johannes Risse, hatten die weiteren AStA-Mitglieder des SHB in politisch und hochschulpolitisch bewegten Zeiten bereits Funktionen in der studentischen Selbstverwaltung, bei den Jusos oder in der Mutterpartei SPD inne.

Zeitungsartikel Westfalen-Blatt vom 16. Februar 1972 zur Wahl des 1. AStA
Westfalen-Blatt vom 16. Februar 1972 zur Wahl des 1. AStA der Universität Bielefeld

 

Der 1. AStA ging gleich mit großer Tatkraft ans Werk. Bereits vier Tage nach der Wahl kam es zur ersten Sitzung des AStA, auf der man sich unter anderem mit organisatorischen Fragen, wie der Beschaffung von Druckmaschinen und der Klärung des Raum- und Finanzbedarfs des AStA beschäftigte. Weit wichtiger aber wurde in den folgenden Monaten das Thema der Satzung der Studentenschaft und die Auseinandersetzung mit den "Berufsverboten". Die Satzung der Studentenschaft wurde schließlich im Mai 1972 verabschiedet, während die Berufsverbotsdiskussion in den 70er Jahren noch an Heftigkeit zunahm und nicht nur den 1. AStA der Universität Bielefeld beschäftigte.

Martin Löning, Universitätsarchiv

aus: BUZ, 218/2004 vom 15.12.2004, S. 86f

Teilweise heftige Auseinandersetzungen im Preisgericht des Bauwettbewerbs, in denen es vor allem um die Entscheidung für eine lockere oder kompakte Bauweise der Universität Bielefeld ging, gingen der Entscheidung im Mai 1969 für den Entwurf der Berliner Planungsgemeinschaft um die Architekten Köpke, Kulka, Siepmann und Töpper voraus.

Im Juli 1971 begann man mit den Pfahlgründungen für das Universitätshauptgebäude und die Baustelle entwickelte sich zu einer der größten der Bundesrepublik, denn schließlich entstand das größte Bauwerk der Region. Am Südhang des Teutoburger Waldes wuchsen - von der Öffentlichkeit mitunter argwöhnisch beobachtet - die Türme und Zähne der Universität in die Höhe. Für die Einen ein grauer, monströser und abstoßender Betonklotz, war das Gebäude für die Anderen - insbesondere im Vergleich zur Architektur der gerade fertiggestellten Bochumer Universität - bestechend funktional, von einer "spezifischen Schönheit" und architektonisch reizvoll. Schließlich konnte der Bauherr, die nordrhein-westfälische Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft, nach drei Jahren Bauzeit für den 9. Oktober 1974 zum Richtfest auf die Großbaustelle einladen.

Die Einladung erfolgte in unruhigen Zeiten an den deutschen Hochschulen. Vor dem Hintergrund einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise der öffentlichen Hand und gleichzeitig explosionsartig gestiegenen Studentenzahlen befürchteten die Studierenden eine Verschlechterung ihrer sozialen Lage durch die Einführung des Sozialbeitrags der Studentenwerke und die Einführung der Darlehensregelung beim BAföG. Der "Radikalenerlass" und die Auseinandersetzung mit dem RAF-Terrorismus sorgten zusätzlich für eine Politisierung der Hochschulen. Die Präsenz der Führungsspitze der NRW-Landesregierung - angekündigt waren Ministerpräsident Heinz Kühn, Wissenschaftsminister Johannes Rau und Finanzminister Hans Wertz - wollten die Studierenden nutzen, um beim Richtfest "ohne Einladung" gegen die "soziale Demontage" zu demonstrieren.

Blick von der Rednertribüne über die Einsatzkräfte der Polizei hinweg auf Bauarbeiter, demonstrierende Studenten und Ehrengäste.
Blick von der Rednertribüne über die Einsatzkräfte der Polizei hinweg auf Bauarbeiter, demonstrierende Studenten und Ehrengäste.

Nachdem der AStA in einem Flugblatt Delegationen aus ganz Nordrhein-Westfalen zum Richtfest angekündigt hatte ("Jetzt ist Gelegenheit Rau zur Rede zu stellen! ... Rau kommt - wir auch!") und der Ortsvorstand des Marxistischen Studentenbundes (MSB) eine "heißen Mittwoch" versprochen hatte ("Machen wir den Mittwoch zu einem Richtfest unserer Forderungen!), meinte im fernen Düsseldorf Innenminister Willi Weyer nach Rücksprache mit dem Bielefelder Polizeichef die Sicherheit des Ministerpräsidenten nicht garantieren zu können. Die Folge war, dass Heinz Kühn seine Zusage zum Richtfest wegen einer Beiratssitzung der Westdeutschen Landesbank zurückzog und auch Johannes Rau absagte, da er Kühn vertreten müsse.

Einzig Hans Wertz fand am 9. Oktober den Weg zur Baustelle. Erschienen waren neben den 2000 Bauarbeitern, Bauingenieuren, Wissenschaftlern und Ehrengästen auch 200 Studenten - laut "Rote Blätter", der MSB-Hochschulzeitung, sogar 500 -, die diskutierend Flugblätter in drei Sprachen (deutsch, türkisch und serbokroatisch) verteilten und 90 Flaschen Schnaps an die Bauarbeiter ausschenkten, um den Schulterschluss zwischen Hand- und Kopfarbeitern herzustellen und um "auf ihre katastrophale soziale Lage aufmerksam zu machen". Mit ihnen tauchten allerdings auch über 100 Polizeibeamte mit Helm und Schutzvisier auf, die den Bereich der Redner hermetisch abriegelten und auch geladene Ehrengäste am Zutritt zur Mensa hinderten, in der die anschließende Feier stattfinden sollte. Unter den somit im Regen stehen gelassenen Ehrengästen war um ein Haar auch Rektor Karl-Peter Grotemeyer, der in seinem Anorak nicht als Magnifizenz erkennbar war ("Aber hören Sie mal, ich bin der Rektor!").

Rektor Grotemeyer während seiner Rede. Links hinter ihm ein zufriedener Finanzminister Wertz, sowie Universitätskanzler Firnhaber, Regierungspräsident Graumann und Bielefelds Oberbürgermeister Hinnendahl (von rechts nach links).
Rektor Grotemeyer während seiner Rede. Links hinter ihm ein zufriedener Finanzminister Wertz, sowie Universitätskanzler Firnhaber, Regierungspräsident Graumann und Bielefelds Oberbürgermeister Hinnendahl (von rechts nach links).

Das Richtfest selbst verlief dann ohne weitere Zwischenfälle und ohne jegliche Eskalation. Die Redner wiesen auf die enormen Investitionen von 450 Millionen Mark, die in den Universitätsbau geflossen seien, und die bereits geschaffenen 1000 Arbeitsplätze sowie die geglückte Architektur hin und äußerten die Hoffnung auf eine große Zukunft der "Reformhochschule" Bielefeld. Lediglich Rektor Grotemeyer ging in seiner Rede auf die anwesenden Studenten, Wissenschaftler und Bauarbeiter ein und versprach, die sich fremden Welten der Bauarbeit und der wissenschaftlichen Arbeit einander näher zu bringen: "Die Universität wird versuchen, ein wenig der Verpflichtung nachzukommen, die sie denjenigen schuldet, die das neue Gebäude errichtet haben, indem sie alle Anstrengungen unternimmt, eine 'offene Universität' zu werden."

Laut Bielefelder Universitätszeitung (11/74 vom 14. Oktober 1974) vollbrachte das Studentenwerk als Restaurationsbetrieb beim Richtfest eine erstaunliche Leistung, wie die Liste der konsumierten Dinge eindrücklich bestätigt:

  • 13.000 Tafeln Schokolade (wurden gegen gelbe Verpflegungskarten ausgegeben)
  • 12.000 Schnäpse
  • 30 Hektoliter Bier
  • rd. 2.000 Portionen Gulasch
  • rd. 2.000 Bratwürste
  • 2.000 "westfälische Präsente"

Obwohl die lokale Presse die "Fraternisierung" zwischen Arbeitern und Studenten sowie die Kosten des Baus und nicht den Polizeieinsatz in den Mittelpunkt der Berichterstattung stellte, hatte letzterer noch ein Nachspiel. Es kam zum ersten Krach zwischen der Bielefelder Polizei und der Universität. Der AStA-Vorsitzende Jürgen Grumbach kritisierte den "völlig überflüssigen Großeinsatz der Polizei auf dem Baugelände", und Rektor Grotemeyer sprach in einer Erklärung von "unliebenswürdigen Notstandsreaktionen" beim Richtfest. Dem "Nachspiel" folgte wieder konzentriertes Arbeiten. Im Mai 1975 erfolgte die Übergabe des ersten Bauabschnittes, im September 1976 die des dritten und letzten Bauabschnittes des Universitätshauptgebäudes, das auch nach 30 Jahren noch die Gemüter erhitzt.

Martin Löning, Universitätsarchiv

Sonstige Veröffentlichungen

Am 11. September 1973 kam es mit Unterstützung der USA bzw. des CIA zu einem blutigen Putsch der chilenischen Generäle gegen die Volksfrontregierung unter Salvador Allende, bei der neben dem Präsidenten mehrere Tausend Anhänger der Volksfrontregierung starben. Der Kampf gegen die Militärdiktatur Augusto Pinochets wurde von linken politischen Kräften in aller Welt, die die Volksfrontregierung Allendes schon mit großen Sympathien begleitet hatten, zum allgemeinen Symbol des Kampfes gegen Militärdiktatur, Faschismus und Kapitalismus.

Flugblatt des MSB (Marxistischer Studentenbund) Spartakus Bielefeld vom September 1973 zum Putsch in Chile.
Flugblatt des MSB (Marxistischer Studentenbund) Spartakus Bielefeld vom September 1973 zum Putsch in Chile. (Quelle: Universitätsarchiv)

An der Universität Bielefeld, wie an anderen Universitäten auch, organisierten der AStA und die ihn tragenden linken Hochschulgruppen immer wieder Aktionen, die ihre „Solidarität mit dem chilenischen Volk“ zum Ausdruck bringen sollten. In der Nacht vom 11. auf den 12. Dezember 1976 kam es nach konspirativ durchgeführten Vorbereitungen zur Bemalung der als Informationswand vorgesehenen 16 Meter langen Stirnwand der Universitätshalle am Audimax durch Mitglieder des AStA nach einem Entwurf der exilchilenischen „Brigade Salvador Allende“. Der durch diese „unrechtmäßig zustande gekommene“ Aktion ausgelöste Konflikt zwischen den Studierendengremien und der Universität bzw. innerhalb der Universitätsgremien ist auch ein Beispiel für die durch eine hohe Kommunikationskultur geprägte Konfliktlösung in der zum damaligen Zeitpunkt gerade erst gegründeten und fertiggestellten „Reformuniversität Bielefeld“.

Das Chilewandbild in der Universitätshalle
Das Chilewandbild in der Universitätshalle (Foto: Universitätsarchiv)

Der Text unter dem Wandbild lautet: „11. September 1973. Faschistischer Putsch: Leid, Kampf, Terror ~ Das Volk kämpft: Widerstand, Kampf, Es bildet sich die Antifaschistische Front, Die Arbeiterklasse: Motor dieser Einheit ~ Die Zukunft wird unser sein: Chile wird siegen!“

Neue Westfälische, 13.12.1976.
Neue Westfälische, 13.12.1976. (Texte und Fotos aus der Neuen Westfälischen sind urheberrechtlich geschützt. Weiterverwendung nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.)

Die Lokalpresse Neue Westfälische und Westfalen-Blatt kamen am 13. Dezember 1976 zu einer positiven Würdigung des Wandbildes („Mehr Farbe in die Uni“; „Schmuck für die ansonsten triste Eingangshalle“), während das Rektorat in seiner 237. Sitzung am 14. Dezember 1976 die Bemalung der Stirnwand des Auditorium Maximum durch den AStA in einem Beschluss verurteilte: „Das Rektorat verurteilt ... das eigenmächtige, die geregelten Zuständigkeiten der Selbstverwaltung der Universität mißachtende Vorgehen des AStA. Es stellt fest, dass die Bemalung somit unrechtmäßig und auf undemokratische Weise zustande gekommen ist.“ Dabei sorgte insbesondere die Darstellung der auf die Bevölkerung gerichteten Gewehrläufe vor dem Hintergrund der amerikanischen Flagge für Kritik.

Die Fachschaftsleiterkonferenz (Vorgängerin des Studentenparlaments), die sich in der Sitzung vom 16. Dezember 1976 mit der Bemalung und dem Rektoratsbeschluss befasste, kam verständlicherweise zu einem anderen Ergebnis: „Die FLK begrüßt die Initiative des AStA ... Sie weist in diesem Zusammenhang besonders darauf hin, dass es für jeden Demokraten und Antifaschisten eine Selbstverständlichkeit ist, aktiv den Kampf des chilenischen Volkes gegen die faschistischen Henker zu unterstützen. Sie hält es deshalb für unvertretbar, das Wandbild wegen seiner politischen Tendenz zurückzuweisen. Angesichts der geschichtlichen Wahrheit hält sie insbesondere die Kritik an der Art und Weise der Darstellung der US-Flagge für unberechtigt und weist sie zurück. ... Die FLK fordert alle universitären Gremien auf, zur Wandmalerei und deren Inhalt Stellung zu beziehen.“

Ausschnitt aus dem Chilewandbild in der Universitätshalle
Ausschnitt aus dem Chilewandbild in der Universitätshalle (Foto: Universitätsarchiv)

Auch im Senat wurde in der 74. Sitzung vom 22. Dezember 1976 unter dem Tagesordnungspunkt „Kunst am Bau“ auf Antrag des AStA über das Wandbild debattiert. Nach einer längeren Diskussion fasste der Senat bei einer Enthaltung den einstimmigen Beschluss, der die auf Ausgleich angelegte Kommunikationskultur widerspiegelte: „Der Senat wertet die Art und Weise des Zustandekommens des Bildes an der Stirnwand des Auditorium Maximum als einmalige spontane Demonstration der Studentenschaft der Universität Bielefeld. ... Der Senat ist der Ansicht, dass das Bild als gesamtes bestehen bleiben soll; er möchte damit zum Ausdruck bringen, dass an der Universität Bielefeld die stillschweigende Duldung des Faschismus kein Platz hat.“

Schließlich beriet auch das Rektorat in seiner 239. Sitzung vom 5. Januar 1977 erneut das Thema unter Berücksichtigung des vorausgegangenen Senatsbeschlusses: „Das Rektorat erkennt es als berechtigt an, in den zentralen Fragen der künstlerischen Gestaltung unseres unmittelbaren Arbeits- und Lebensraumes eine breite gesamtuniversitäre Willensbildung und Entscheidungsfindung herbeizuführen. ... Die endgültige Bestimmung der widerrechtlich bemalten Wand steht weiterhin zur Disposition und ist vom Ergebnis der gesamtuniversitären Willensbildung abhängig.“

Das Wandbild schmückt auch heute noch die Stirnwand des Audimax, von den späteren Studierendengenerationen allerdings weitgehend unbeachtet und in Unkenntnis seiner Entstehungszusammenhänge. Auffallend ist jedoch, dass das Wandbild in den vergangenen Jahrzehnten nahezu unangetastet geblieben ist und bei Wandschmierereien und wilden Plakatierungen respektvoll ausgespart bleibt. Lediglich im Frühjahr 1977 kam es zu Schmierereien auf dem Wandbild, die vom AStA auf eigene Kosten entfernt wurden, da "dieses Bild inzwischen zur künstlerischen Ausstattung der Universität gehört".

Eine Anekdote am Rand: Das Wandbild ist mittlerweile bis in die höchsten politischen Kreise bekannt. Die ehemalige sozialistische Präsidentin Chiles, Verónica Michelle Bachelet Jeria (Präsidentin von 2006 bis 2010), die nach dem Putsch 1973 mit ihrer Mutter in die DDR geflohen war und dort Medizin studiert hatte, erfuhr während eines Staatsbesuchs in Deutschland im August 2009 durch einen ehemaligen Professor der Bielefelder Universität von der Geschichte des Wandbilds in der Unihalle und war derart interessiert, dass sie sich von ihm mit Bildern und weiteren Informationen versorgen ließ.

Bleibt zu hoffen, dass das Wandbild nicht nur die politischen Diskussionen in den universitären Gremien in den 1970er Jahren überstanden hat, sondern auch die Modernisierung des Universitätshauptgebäudes in den kommenden Jahren überlebt.

Martin Löning
27. Juni 2010

„ ... Stadt und Land Bielefeld sollten die größtmögliche Initiative einsetzen, um Herrn Minister Dufhues den Gedanken klarzumachen, dass auch der Raum Bielefeld/Sennestadt/Teutoburger Wald für die Errichtung einer Universitätsstadt als ein geradezu ideales Gebiet geeignet wäre. ... Trotzdem ist es die Ansicht des Unterzeichneten, dass zum mindesten ein Kreis verantwortlicher Wissenschaftler, Juristen und Wirtschafter sich schnell zusammenfinden müsste zu einer ersten unverbindlichen Aussprache, vorläufig unter Ausschluss der Presse, um die Idee zu erörtern und um evtl. konkrete Beschlüsse zu fassen, um diese Angelegenheit zu fördern.“ So der Vorstand der ASTA-Werke in Brackwede, Ewald Kipper, in einem Schreiben an den Bielefelder Oberstadtdirektor Heinz-Robert Kuhn vom 9. Dezember 1960.

Der Brief des Industriellen Ewald Kipper machte die Idee einer Universität in Bielefeld und die Absicht, eine Fördergesellschaft zu gründen „aktenkundig“, denn er ist das früheste Dokument, das sich mit der Gründung einer Universität in Ostwestfalen befasst. Kipper, der als Direktor der AStA-Werke in Brackwede einem Betrieb der chemischen Industrie vorstand, bemühte sich allerdings in erster Linie um die Errichtung einer Medizinischen Akademie, die dann Keimzelle einer Teil- oder Volluniversität werden sollte.

Die Universitätsplanungen in Ostwestfalen gerieten in der Folgezeit nahezu in Vergessenheit, bis sich drei Jahre später die Pläne der Landesregierung für eine weitere Universität in Ostwestfalen verdichteten und konkretisierten. Die Bielefelder Tageszeitungen, insbesondere das Westfalen-Blatt und die Westfälische Zeitung, forcierten vor dem Hintergrund eines Bewerberwettstreits um den Standort der zu gründenden Universität – Bewerber waren die Städte Detmold, Paderborn, Herford, Bielefeld, Soest und Sennestadt – die Gründung einer Bielefelder Förderergesellschaft und suchten , in der Wirtschaft und anderen gesellschaftlich relevanten Gruppen nach Bündnispartnern für den Bielefelder Oberbürgermeister Herbert Hinnendahl. Lange vor der endgültigen Standortentscheidung wurde Hinnendahl im Frühjahr 1965 aktiv und arrangierte zunächst ein Treffen der Förderer in Bielefeld "im kleinen Kreis". Man vereinbarte mit der Vereinsgründung bis zur Standortentscheidung zu warten, sich aber schon jetzt zum Gründungsausschuss zu konstituieren. Vorsitzender eines Arbeitsausschusses zur Bildung einer Gesellschaft der Freunde und Förderer einer westfälisch-lippischen Universität sollte sich in enger Abstimmung mit am Aufbau der Universität beteiligten Personen nach Ansicht der Teilnehmer mit Rudolf-August Oetker ein Vertreter der Wirtschaft werden. Ein konstituierte formlos am 10. Juli 1965 im Bankhaus Lampe. Obwohl bei der formlosen Konstituierung dieses Ausschusses die Frage des Standorts zunächst keine Rolle spielte, war durch die Zusammensetzung klar, dass nur eine Universität im Raum Bielefeld-Herford unterstützt werden sollte. Der Arbeitsausschuss sah seine Rolle als parteipolitisch neutraler geistiger und materieller Förderer der Universität in Ostwestfalen und fungierte schon bald als wichtiger Ansprechpartner für die Planer der Universität um Kultusminister Mikat und Helmut Schelsky.

Unmittelbar nach der Grundsatzentscheidung der Landesregierung für den Standort Bielefeld-Herford am 9. November 1965 drängte Oberbürgermeister Hinnendahl dann auf eine förmliche Konstituierung des Vereins. Ob das Drängen Hinnendahls zu diesem Zeitpunkt bereits seinem Wissen darüber entsprang, dass im Kabinett lediglich die reine Bielefelder Lösung am heutigen Universitätsstandort verfolgt wurde, ist unklar. Bei der Sitzung des Gründungsausschusses der Universitätsgesellschaft am 29. Dezember 1965 beschloss man einstimmig die Gründung der "Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft e.V. – Verein der Freunde und Förderer", zu deren Vorsitzenden die Anwesenden Oetker wählten. Ein Satzungs- und Organisationsausschuß sollte bis zur nächsten Sitzung eine möglichst offene Satzung ausarbeiten, da sich bei der Gründung der Bochumer Fördergesellschaft eine zu starre Satzung als sehr hinderlich erwiesen habe. Der Verein sollte mit Vorstand, Kuratorium und Mitgliederversammlung drei Organe erhalten.

Der Bonner Universitätskanzler Eberhard Freiherr von Medem und der Vorsitzende Rudolf August Oetker vor der Gründungsversammlung am 29. Januar 1966.
Der Bonner Universitätskanzler Eberhard Freiherr von Medem und der Vorsitzende Rudolf August Oetker vor der Gründungsversammlung am 29. Januar 1966. Quellenangabe: Universitätsarchiv Bielefeld, Fotograf: Günter Rudolf

Der Einladung Oetkers zur rechtlichen Konstituierung der Universitätsgesellschaft am 29. Januar 1966 folgten dann mehr als 70 prominente Personen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft aus ganz Ostwestfalen-Lippe. Anwesend im Bankhaus Lampe waren auch die Mitglieder des Gründungsausschusses der Universität sowie Vertreter der Städte Paderborn und Detmold, worin die Presse einen Beleg dafür sah, „daß heute der gesamte ostwestfälisch-lippische Raum in Einmütigkeit hinter den Plänen des Landes Nordrhein-Westfalen stehe. Erneut wurde Oetker zum Vorsitzenden gewählt, der Bielefelder Oberbürgermeister Herbert Hinnendahl zu seinem Stellvertreter und ein Mitarbeiter der Fa. August Oetker, Werner Glahe, zum Geschäftsführer. Den Vorstand ergänzten der Regierungspräsidenten Ernst Graumann, der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses des Bundestages, der SPD-Abgeordnete Ulrich Lohmar, der Vorsitzenden der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld Heinz zur Nieden, der Herforder Oberbürgermeister und CDU-Bundestagsabgeordnete Kurt Schober sowie Helmut Schelsky und der Bonner Universitätskanzler Eberhard Freiherr von Medem in ihrer erwarteten Funktion als Rektor und Kanzler der neuen Universität.

In seiner Rede vor der Gründungsversammlung betonte Oetker, dass die zu gründende Universität von allen Städten und Gemeinden des ostwestfälisch-lippischen Raumes und allen Teilen der Bevölkerung, unabhängig von Konfessionen, Berufsständen, politischer und weltanschaulicher Richtung getragen werden müsse. Die ebenfalls am 29. Januar 1966 verabschiedete Satzung enthält als Vereinszweck lediglich – und darin unterscheidet sich die Satzung von 1966 kaum von der heutigen Satzung der Gesellschaft – die Ziele, die westfälisch-lippische Universität zu fördern und die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Praxis zu vertiefen. Die Gesellschaft sah – und sieht sich auch heute noch – als Gesprächspartner der Universität aus der Praxis, der Fragen und Wünsche aus der Praxis an die Universität weiterleitet und Anstoß zur Durchführung konkreter Projekte gibt.

Die rechtliche Konstituierung (Gründungsversammlung) der 'Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft - Verein der Freunde und Förderer e. V.' am 29. Januar 1966 in Bielefeld, Bankhaus Lampe. Prof. Dr. Helmut Schelsky (im Vordergrund am Rednerpult) stellt das von ihm erarbeitete Strukturkonzept für die 'Universität im ostwestfälischen Raum' vor.
Die rechtliche Konstituierung (Gründungsversammlung) der 'Westfälisch-Lippischen Universitätsgesellschaft - Verein der Freunde und Förderer e. V.' am 29. Januar 1966 in Bielefeld, Bankhaus Lampe. Prof. Dr. Helmut Schelsky (im Vordergrund am Rednerpult) stellt das von ihm erarbeitete Strukturkonzept für die 'Universität im ostwestfälischen Raum' vor. Quellenangabe: Universitätsarchiv Bielefeld, Fotograf: Günter Rudolf

Mit der Gründung der Universitätsgesellschaft am 29. Januar 1966 entstand in den Augen der Presse das neben dem Gründungsausschuss der Universität wichtigste Gremium für die neue Hochschule. Kultusminister Mikat verband seine Glückwünsche zur Gründung der Gesellschaft gleich mit dem Wunsch, die Planung der Universität durch finanzielle Mittel der Gesellschaft voranzubringen und mit der Bitte beim Ankauf der Osthoffschen Villa, die als erster Verwaltungssitz der Universität dienen sollte, mitzuhelfen. Besonders in den Aufbaujahren war die Universitätsgesellschaft in materieller und ideeller Hinsicht eine der treibenden Kräfte und Förderer der Universitätsneugründung. Die von der Universitätsgesellschaft zunächst allein, dann gemeinsam mit der Universität veranstalteten festlichen Universitätsbälle waren gesellschaftliche Ereignisse, die viel dazu beitrugen, dass sich Universität und Stadt begegneten, kennen lernten und voneinander profitierten. Die Gesellschaft wurde so zu einem unverzichtbaren Bindeglied zwischen den Menschen außerhalb und innerhalb der Universität. Die Mitgliederentwicklung der Gesellschaft verlief darüber hinaus überaus positiv. Am Tag der Standortentscheidung am 6. Juni 1966, hatte sie 38 natürliche und 22 nicht-natürliche Mitglieder. Bereits vor der Inbetriebnahme der Universität im November 1969 war diese Zahl auf über 300 Mitglieder gewachsen.

Martin Löning, Universitätsarchiv

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