Betrachtet man die Entwicklungen der letzten Jahre, so ist Inklusion in Deutschland als eine im schulischen wie gesellschaftlichen Kontext anvisierte Norm in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Präsent ist die Thematik im nationalen wie internationalen Diskurs zwar bereits seit knapp einem halben Jahrhundert u.a. in den systemtheoretischen Reflexionen Luhmanns aus den 1980er Jahren. Erst jüngst ist diese jedoch - angestoßen durch bildungspolitische Impulse - national zu einem breit diskutierten Feld mit vielfältigen Konnotationen, Kollokationen und Semantiken expandiert, das in seiner Gesamtheit eher als Gemengelage denn als konsistente Einheit erscheint. Ausgehend von dieser Vielseitig- und Unübersichtlichkeit des Themas kann die Frage gestellt werden, ob der gegenwärtige Diskurs Inklusion bereits hinreichend reflektiert oder ob er blinde Flecken hinterlässt und bestimmte Perspektiven ausklammert. Dies gilt auch für dessen bildungshistorisch orientierte Bereiche.
Der Blick auf Inklusion als Chiffre soll demgemäß als metaphorischer Zugriff dienen, mit dem bislang vernachlässigte Wege ihrer Dechiffrierung variantenreich aufgedeckt werden können. Neben der Suche nach neuartigen Entschlüsselungsansätzen umfasst die Idee auch die Auseinandersetzung mit in der Vergangenheit bereits erfolgten Dechiffrierungen von Inklusion und den dazugehörigen Vorläuferentwicklungen. Dies betrifft bspw. die bisherige Geschichtsschreibung zur Inklusion, die in Deutschland eng an sonderpädagogische Traditionslinien anschließt. Umgekehrt eröffnet die Frage nach vergangenen Prozessen der Chiffrierung von Inklusion, der daran beteiligten Akteure und spezifischen zeitgeschichtlichen Konstellationen eine weitere Perspektive im Inklusionsdiskurs, die über bildungshistorische Zugriffe gegenwarts- wie zukunftsrelevante Impulse liefern kann.
Um die Dechiffrierung speziell der Geschichte der Inklusion und ihrer Vorläuferentwicklungen möglichst breit in Angriff zu nehmen, kommt der Historischen Bildungsforschung die Aufgabe zu, den gesellschaftlichen wie schulischen Umgang mit Diversität und Heterogenität als Kern von Inklusion historisch vielseitig zu entschlüsseln und zu kontextualisieren. Ob über diese dekonstruktivistischen Akte neue Blickrichtungen auf Inklusion und insbesondere ihre Vorgeschichte möglich sind, soll Thema im Rahmen der Sektionstagung sein.
Dechiffrierungen können dabei bspw. für folgende Bereiche anvisiert werden:
Diese hier nur beispielhaft skizzierten Blickweisen auf Inklusion und ihre Geschichte können mit Hilfe verschiedener epistemologischer Zugriffe - wie u.a. den national wie international in der Historischen Bildungsforschung etablierten kulturtheoretischen, bildungssoziologischen, diskurstheoretischen und praxistheoretischen Ansätzen - bearbeitet werden. Neben dem Zusammentreffen unterschiedlicher bildungshistorischer Forschungstraditionen ist ebenso die Integration variantenreicher disziplinärer Perspektiven von Relevanz, um die Dechiffrierung von Inklusion und der dazugehörigen Geschichte(n) im Rahmen der Sektionstagung vielgestaltig in Angriff zu nehmen.
Gebeten wird um die Einreichung von Abstracts zum Thema bis einschließlich 20.01.2019. Die Sektionstagung findet vom 30.09.2019 bis zum 02.10.2019 im CITEC-Gebäude der Universität Bielefeld statt. Hinweise zur Einreichung der Abstracts sowie Informationen zur Tagung und zur Anmeldung finden sich auf der Tagungshomepage oder auf der Homepage der Sektion Historische Bildungsforschung. Rückfragen können Sie per E-Mail an die Tagungsorganisation richten (tagunghistbf2019@uni-bielefeld.de). Möglich ist die Bewerbung für Einzelbeiträge (Abstracts mit 500 Wörtern) oder für Symposien (Abstracts mit 2000 Wörtern). Gehalten werden können die Vorträge in deutscher oder englischer Sprache.