Ein Forschungsfeld der Bielefelder Kunstpädagogik und -vermittlung bildet die Auseinandersetzung mit künstlerischen Bildungsprozessen und der darin eingebetteten ästhetischen Erfahrung. Dabei wird die künstlerische Praxis als unabdingbares Fundament der kunstpädagogischen Reflexion und Professionalisierung und damit auch als Forschungsfeld adressiert. Experimentelle Bildungssettings, die mit Aspekten von Unvorhersehbarkeit, Zufall und den Möglichkeiten erfahrungsbasierter Auseinandersetzung mit Materialien und Bildern kalkulieren, bilden hierbei den Ausgangspunkt, um Vermittlungsansätze im Feld analoger und digitaler Medien zu entwickeln, theoriegeleitet zu reflektieren sowie mit einem situationsangemessenen methodischen Repertoire zu beforschen.
Ansätze der künstlerischen und ästhetischen Forschung werden praktisch erprobt und auf multimediale Weise beobachtbar und analysierbar gemacht, um den Fachdiskurs im Hinblick auf genuin kunstpädagogische Forschungsmethodiken zu stärken und zu fundieren. Dabei stehen forschend-explorierende, aber auch handelnd-intervenierende Perspektiven für eine fachspezifische Ausdifferenzierung von Forschungsmethodiken und deren Methodologien zur Diskussion (u.a. der Aktionsforschung/»action research«, Reflexive Grounded Theory, Situationsanalyse). Bereits etablierte qualitative Verfahren werden hier mit unterschiedlichen Visualisierungs- und Aufzeichnungspraktiken im Rahmen künstlerisch-forschender Prozesse vermittelt. Sowohl eine Ausdifferenzierung »kunstbasierter« und »künstlerisch- forschender« Praktiken im Forschungsprozess als auch deren theoretische Reflexion in Bezug auf die Auseinandersetzung mit »Epistemologien des Ästhetischen« beschäftigen den Forschungsdiskurs im Studienfach. Forschungsmethodiken werden hier im Zwischenraum von analogen und digitalen Medien konzipiert, um sowohl einer sinnlichen-erfahrungsdimensionierten künstlerischen Praxis Rechnung zu tragen als auch in den künstlerischen Prozess integrierbare Aufzeichnungsmöglichkeiten digitaler Medien zu nutzen. Die Erprobung und fachspezifische Fortentwicklung von Methoden der qualitativen, empirischen Sozialforschung innerhalb der Fachdidaktik sowie der kulturellen Bildung stellt eine Zielsetzung der Bielefelder Kunstpädagogik sowie der Kunst- und Kulturvermittlung dar. Auf diesem Fundament werden praxistheoretische Perspektiven und Fragen der Praxisforschung fachspezifisch weiterentwickelt, um eine reflexive Professionalisierung in der Lehrer*innenbildung zu ermöglichen: einerseits im Modus klassischer Unterrichtsforschung, andererseits aber auch mit Blick auf reflexive, kollaborative, inklusive Positionierungen der Forschenden und der Beforschten im Forschungsprozess. Das Studienfach Kunst- und Musikpädagogik widmet sich in diesem Bereich aktuell insbesondere der Auseinandersetzung mit sogenannten »Reallaboren« im Feld der kulturellen Bildung.
Der fakultätsübergreifende, interdisziplinäre Austausch mit Kolleg:innen aus den Erziehungs- und Sozialwissenschaften, den weiteren Fachdidaktiken sowie aus den Kunst-, Bild- und Kulturwissenschaften bietet Möglichkeiten der fachwissenschaftlichen, methodischen Weiterentwicklung wie methodologischen Reflexion. Die Konzeption und Realisierung des »Labor Kunstvermittlung« bearbeitet die hier skizzierten Forschungsperspektiven und lotet die Grenzgänge zwischen Theoriebildung und Praxisreflexion für die beruflichen Handlungsfelder aus.
Die professionsorientierte Reflexion und Analyse von machtvollen analogen und digitalen Wissensordnungen in Praxisfeldern der schulischen und außerschulischen kulturellen Bildung (insbesondere Museen und Ausstellungen) bildet ein weiteres Forschungsfeld der Bielefelder Kunstpädagogik und Kunstvermittlung. Basierend auf Theorien zu visuellen Kulturen (visual culture studies), zur Postkolonialität, zur intersektionalen Perspektiven der Differenzbildung sowie auf Grundlage einschlägiger Ansätze zu »kritischen Epistemologien« werden Alternativen zu kanonischen Wissens- und Bildordnungen untersucht. Das Fach Kunstpädagogik auch aus einer repräsentationskritischen, die Ordnungen des Wissens befragenden, epistemologischen Forschungs- und Lehrperspektive zu fassen, konturiert demzufolge ein zentrales Forschungsanliegen.
Auf diesem Fundament stellt die Entwicklung eines fachspezifisch ausdifferenzierten Methodenrepertoires, das visuelle Kulturen sowohl in analogen als auch digitalen Bildungssettings sowie im Rahmen fachdidaktischer Praktiken untersuchen kann, ein Forschungsziel dar. Methodologische Fragestellungen der empirischen Sozialforschung und ihrer Objektivitätspostulate werden hier vor dem Hintergrund postmoderner Theoriebildung diskutiert. Bezogen auf die fachdidaktische Praxisforschung stehen differenzreflexive Zugänge zu kunstpädagogischen Bildungssettings im Mittelpunkt, unter Einbezug virulenter gesellschaftlicher Transformationsprozesse (etwa Migration, Digitalisierung, Globalisierung). Eine empirisch basierte, u.a. diskurs- und situationsanalytisch orientierte Methodik zur Untersuchung und Erörterung kanonischer Wissensordnungen soll insbesondere in Bezug auf schulische und außerschulische Praxisfelder ausgebaut werden. Diese Methodik basiert – entsprechend den medial-visuellen Eigenheiten des Faches –nicht allein auf sprachlichen Mitteln: Insbesondere stehen visuelle Diskurse (»Viskurse«), Haltungen von Lehrkräften gegenüber kanonischem, visuellem Wissen sowie implizites institutionelles Wissen bezogen auf analoge wie digitale Bild- und Medienkulturen im Zentrum des Forschungsinteresses. Insofern ist ein Ziel, einen forschungsbasierten Fachdiskurs bezogen auf differenzreflexive Perspektiven der Kunstpädagogik und Kunstvermittlung – als einen Teilbereich der Kulturvermittlung – weiterzuentwickeln. Im Sinne einer forschungsorientierten, reflexiven Professionalisierung im Bereich der schulischen und außerschulischen kulturellen Bildung werden in diesem Forschungsfeld Kunstvermittlungssettings explorativ erprobt sowie multimodal untersucht.
Mit dieser Schwerpunktsetzung knüpft das Studienfach an Forschungsthemen der Fakultät, der Bielefelder School of Education sowie an fakultätsübergreifende Fragestellungen im Bereich der Demokratiebildung, der Konflikt- und Rassismusforschung sowie im Bereich von Inklusion und Diversität an. Fachdidaktische Praktiken der Bedeutungsproduktion in Bildungskontexten sowie ihrer Differenzbildung, aber auch die Möglichkeiten ihrer Überschreitung stehen im Zentrum des Forschungsfeldes.
Aktuell: zwei Antragstellungen (DFG und BMBF).
Der DFG-Antrag zum Projekt kanonALTERNATIVEN wurde im April 2024 bewilligt.
Neuigkeiten zum BMBF-Antrag werden nach der Begutachtung veröffentlicht.
Drittmittel:
DFG Förderung: wissenschaftliches Netzwerk kanonALTERNATIVEN
Laufzeit: 3 Jahre (Start 9/2024)
Prof. Dr. Katja Hoffmann
Kernanliegen des DFG-geförderten Netzwerks kanonALTERNATIVEN ist es, theoriegeleitete sowie forschungsmethodisch ausdifferenzierte Analysen
zum reflexiven Umgang mit kanonischen Wissensordnungen in kunstpädagogischen Bildungssituationen zu entwickeln.
Als Untersuchungsmaterial sollen dabei unterschiedliche visuelle und sprachliche Anordnungen in ihrer jeweils relationalen und kontextgebundenen, damit situativen Praxis in den Blick genommen werden.
Aspekte der Differenzbildung im Rahmen kanonischer Wissensordnungen sowie Praktiken des Ein- und Ausschlusses sollen theoretisch reflektiert und methodisch analysiert werden: Die Arbeit des Netzwerks soll darin bestehen, situationsspezifische, kunstpädagogische Bildungssettings anhand von digitalen und analogen Bildmaterialien/Objekten/Dingen innerhalb diverser Visualisierungspraktiken zu analysieren sowie die institutionellen Rahmensetzungen und Selbstpositionierungen der Akteur:innen zu untersuchen.
Ausgehend von einer disziplinären Verortung dieses Forschungsanliegens in der Kunstpädagogik bzw. der Fachdidaktik Kunst sollen interdisziplinäre Forschungsperspektiven aus den Kunst-, Kultur- und Medienwissenschaften sowie aus den Erziehungswissenschaften und der Soziologie mit einbezogen werden, um den Fachdiskurs über differenzreflexive Zugänge zur Konstituierung und Geltung von visuell basierten Wissensordnungen in kunstpädagogischen Bildungssituationen auszudifferenzieren.
Methodisch wird die Auseinandersetzung mit kanonischen Wissensordnungen und ihren epistemischen Strukturen auf qualitativen visuellen und sprachbasierten Erhebungen gründen (u.a. analoge/digitale Formen
des Displays, Interviews zu teacher beliefs, etc.). Darüber hinaus sollen auch quantitative Untersuchungen integriert werden (u.a. Häufigkeiten, Wiederholungsmodi von visuellen/textuellen Repräsentationen).
Theoretische Zugänge (u.a. Differenzreflexivität, Repräsentationskritik/Postrepräsentation, new matrialism, Situiertheit des Wissens), aber auch forschungsmethodisch reflexive Zugänge (u.a. Praxistheorie, Aktionsforschung) sollen die multiperspektivischen Analysen von Wissensordnungen in kunstpädagogischen Bildungssituationen begründen.
Im Rahmen des Netzwerkes wird ein besonderer Fokus auf den kunstpädagogischen und fachdidaktischen Nachwuchs gelegt, der durch Multiperspektivität, über die verschiedenen Einzeldiskurse hinweg, nachhaltige
Forschungsperspektiven etablieren kann. Ziel ist es einen fachübergreifenden, forschungsbasierten Diskurs über Wissensordnungen und die Geltung von Wissen in der schulischen und außerschulischen Kunstvermittlung zu fokussieren, um daraus Ableitungen für eine reflexive Professionalisierung in der Lehrer:innenbildung im Fach Kunst, aber auch in der kulturellen Bildung generieren zu können. Mit dem langfristigen Ziel, durch die Arbeit des Netzwerkes eine reflexive Professionalisierung zu flankieren, ist auch das Ziel einer Reflexion von Kanonalternativen, d.h. eine Transformation von wirkmächtigen/machtvollen Wissensordnungen verbunden – dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Transformationsprozesse durch die Digitalisierung, diverse Migrationsbewegungen sowie aktuelle globale Krisen.
siehe Eintrag im Personenverzeichnis
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Prof. Dr. Katja Hoffmann
Kunstpädagogik und Kunstvermittlung