Die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften trauert um Prof. Dr. Peter Flaschel, der ihr von 1985 an bis zum Ende seiner beruflichen Tätigkeit angehörte und am 5. Oktober im Alter von 78 Jahren verstorben ist. Schwerpunkt seiner Forschungstätigkeit war die Analyse ungleichgewichtiger Wachstumsprozesse und deren sozialer Konsequenzen.
Nachdem er zunächst an der Universität Bonn Mathematik studiert und in diesem Fach auch promoviert hatte, wandte sich sein Interesse – zunächst unter dem Einfluß der Marx’schen Werttheorie – zunehmend ökonomischen Fragestellungen zu, weshalb er 1975 an den Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Berlin wechselte, wo er 1980 habilitierte. Anschließend wurde er dort zum Professor für Volkswirtschaftslehre ernannt, bis er 1985 einen Ruf an die Universität Bielefeld annahm, die von nun an bis zum Ende seiner beruflichen Tätigkeit das Zentrum seiner wissenschaftlichen Arbeit darstellte. Während dieser Zeit wurden ihm zahlreiche Ehrungen zuteil, so z.B. eine Theodor-Heuss-Professur an der New School of Social Research in New York im Jahre 2006. Ein Jahr später wurde ihm das “Opus-Magnum-Stipendium” der “Fritz-Thyssen/Volkswagen-Stiftung” zuerkannt. Erst vor einer Woche erhielt er posthum den Friede-Gard-Preis für sein Lebenswerk und dessen Bedeutung als Grundlage für die Modellierung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise.
Darüberhinaus führten ihn zahlreiche Gastprofessuren an verschiedene Forschungstätten im In- und Ausland, so z.B. an die Universitäten Bonn und Wien sowie mehrfach an die bereits erwähnte New School of Social Research. Ebenso zu erwähnen
sind mehrere Aufenthalte an der University of Technology in Sydney zu verschiedenen Projekten der makroökonomischen Theorie. Diese war dann auch wegweisend für seine gesamte weitere Forschungstätigkeit, aus welcher neben einer Vielzahl an Lehrbüchern und anderen Abhandlungen mehr als 200 Beiträge in renommierten Fachzeitschriften und Sammelbänden resultierten.
Im Zentrum seiner Forschung stand dabei die Entwicklung und mathematische Analyse dynamischer makroökonomischer Modelle keynesianischer Prägung, die im bewußten Gegensatz zu neo-und neuklassischen Markträumungsansätzen explizit temporäre Ungleichgewichtslagen und die daraus resultierenden Anpassungsprozesse in den Blick nahmen und zudem eine möglichst vollständige und detaillierte Erfassung der für eine Volkswirtschaft relevanten Märkte und Sektoren anstrebten.
Auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst ließ sein unermüdlicher Arbeitseifer keinen “Ruhe”-stand im eigentlichen Sinne des Wortes zu. So beschäftigte er sich in den letzten Jahren u.a. mit Fragen nach der Zukunft der Demokratie und einer Reform des Wahlsystems. Ebenso sei ein Paper zur Corona-Krise erwähnt, das er noch im letzten Jahr entwickelte und dessen Implikationen deutliche Ähnlichkeiten mit dem realen Geschehen in den letzten anderthalb Jahren aufweist.
Neben seinen beeindruckenden fachlichen Leistungen seien aber auch seine Hilfsbereitschaft und sein kollegialer Führungsstil erwähnt. So war er seinen Doktoranden nicht nur ein ausgezeichneter Ratgeber, sondern setzte sich auch später intensiv für deren weiteres berufliches Fortkommen ein. Zudem schaffte er es stets, selbst kontroverse Diskussionen in einer angenehmen und von gegenseitiger Achtung geprägten Atmosphäre stattfinden zu lassen, in der auch der Humor nie zu kurz kam.
Peter Flaschel hinterläßt fachlich wie menschlich eine große Lücke, gleichzeitig aber auch ein herausragendes wissenschaftliches Vermächtnis, welches Ausgangspunkt und Inspiration für viele nachfolgende Ökonomen bietet. Die Fakultät wird ihm stets ein ehrenvolles Andenken bewahren.
Verfasser des Nachrufes: Dr. Gangolf Groh